Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite

gen vorleuchtete, Dienern und Unterthanen
ein goldnes Zeitalter versprach. Nun vernah¬
men wir jungen Leute mit Jubel, daß Win¬
kelmann aus Italien zurückkehren, seinen
fürstlichen Freund besuchen, unterwegs bey
Oesern eintreten und also auch in unsern Ge¬
sichtskreis kommen würde. Wir machten kei¬
nen Anspruch mit ihm zu reden; aber wir
hofften ihn zu sehen, und weil man in sol¬
chen Jahren einen jeden Anlaß gern in eine
Lustpartie verwandelt, so hatten wir schon
Ritt und Fahrt nach Dessau verabredet, wo
wir in einer schönen, durch Kunst verherrlich¬
ten Gegend, in einem wohl administrirten
und zugleich äußerlich geschmückten Lande, bald
da bald dort aufzupassen dachten, um die
über uns so weit erhabenen Männer mit ei¬
genen Augen umherwandeln zu sehen. Oeser
war selbst ganz exaltirt, wenn er daran nur
dachte, und wie ein Donnerschlag bey klarem
Himmel fiel die Nachricht von Winkelmanns
Tode zwischen uns nieder. Ich erinnere mich

gen vorleuchtete, Dienern und Unterthanen
ein goldnes Zeitalter verſprach. Nun vernah¬
men wir jungen Leute mit Jubel, daß Win¬
kelmann aus Italien zuruͤckkehren, ſeinen
fuͤrſtlichen Freund beſuchen, unterwegs bey
Oeſern eintreten und alſo auch in unſern Ge¬
ſichtskreis kommen wuͤrde. Wir machten kei¬
nen Anſpruch mit ihm zu reden; aber wir
hofften ihn zu ſehen, und weil man in ſol¬
chen Jahren einen jeden Anlaß gern in eine
Luſtpartie verwandelt, ſo hatten wir ſchon
Ritt und Fahrt nach Deſſau verabredet, wo
wir in einer ſchoͤnen, durch Kunſt verherrlich¬
ten Gegend, in einem wohl adminiſtrirten
und zugleich aͤußerlich geſchmuͤckten Lande, bald
da bald dort aufzupaſſen dachten, um die
uͤber uns ſo weit erhabenen Maͤnner mit ei¬
genen Augen umherwandeln zu ſehen. Oeſer
war ſelbſt ganz exaltirt, wenn er daran nur
dachte, und wie ein Donnerſchlag bey klarem
Himmel fiel die Nachricht von Winkelmanns
Tode zwiſchen uns nieder. Ich erinnere mich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0287" n="279"/>
gen vorleuchtete, Dienern und Unterthanen<lb/>
ein goldnes Zeitalter ver&#x017F;prach. Nun vernah¬<lb/>
men wir jungen Leute mit Jubel, daß Win¬<lb/>
kelmann aus Italien zuru&#x0364;ckkehren, &#x017F;einen<lb/>
fu&#x0364;r&#x017F;tlichen Freund be&#x017F;uchen, unterwegs bey<lb/>
Oe&#x017F;ern eintreten und al&#x017F;o auch in un&#x017F;ern Ge¬<lb/>
&#x017F;ichtskreis kommen wu&#x0364;rde. Wir machten kei¬<lb/>
nen An&#x017F;pruch mit ihm zu reden; aber wir<lb/>
hofften ihn zu &#x017F;ehen, und weil man in &#x017F;ol¬<lb/>
chen Jahren einen jeden Anlaß gern in eine<lb/>
Lu&#x017F;tpartie verwandelt, &#x017F;o hatten wir &#x017F;chon<lb/>
Ritt und Fahrt nach De&#x017F;&#x017F;au verabredet, wo<lb/>
wir in einer &#x017F;cho&#x0364;nen, durch Kun&#x017F;t verherrlich¬<lb/>
ten Gegend, in einem wohl admini&#x017F;trirten<lb/>
und zugleich a&#x0364;ußerlich ge&#x017F;chmu&#x0364;ckten Lande, bald<lb/>
da bald dort aufzupa&#x017F;&#x017F;en dachten, um die<lb/>
u&#x0364;ber uns &#x017F;o weit erhabenen Ma&#x0364;nner mit ei¬<lb/>
genen Augen umherwandeln zu &#x017F;ehen. Oe&#x017F;er<lb/>
war &#x017F;elb&#x017F;t ganz exaltirt, wenn er daran nur<lb/>
dachte, und wie ein Donner&#x017F;chlag bey klarem<lb/>
Himmel fiel die Nachricht von Winkelmanns<lb/>
Tode zwi&#x017F;chen uns nieder. Ich erinnere mich<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[279/0287] gen vorleuchtete, Dienern und Unterthanen ein goldnes Zeitalter verſprach. Nun vernah¬ men wir jungen Leute mit Jubel, daß Win¬ kelmann aus Italien zuruͤckkehren, ſeinen fuͤrſtlichen Freund beſuchen, unterwegs bey Oeſern eintreten und alſo auch in unſern Ge¬ ſichtskreis kommen wuͤrde. Wir machten kei¬ nen Anſpruch mit ihm zu reden; aber wir hofften ihn zu ſehen, und weil man in ſol¬ chen Jahren einen jeden Anlaß gern in eine Luſtpartie verwandelt, ſo hatten wir ſchon Ritt und Fahrt nach Deſſau verabredet, wo wir in einer ſchoͤnen, durch Kunſt verherrlich¬ ten Gegend, in einem wohl adminiſtrirten und zugleich aͤußerlich geſchmuͤckten Lande, bald da bald dort aufzupaſſen dachten, um die uͤber uns ſo weit erhabenen Maͤnner mit ei¬ genen Augen umherwandeln zu ſehen. Oeſer war ſelbſt ganz exaltirt, wenn er daran nur dachte, und wie ein Donnerſchlag bey klarem Himmel fiel die Nachricht von Winkelmanns Tode zwiſchen uns nieder. Ich erinnere mich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/287
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/287>, abgerufen am 22.11.2024.