nahm die Sache streng, und indem er das Parodistische, was denn doch in dem Einfall lag, gar nicht beachtete, so erklärte er den großen Aufwand von göttlichen Mitteln zu einem so geringen menschlichen Zweck für äußerst tadelnswerth, verwies den Gebrauch und Misbrauch solcher mythologischen Figuren als eine falsche, aus pedantischen Zeiten sich herschreibende Gewohnheit, fand den Aus¬ druck bald zu hoch, bald zu niedrig, und hat¬ te zwar im Einzelnen der rothen Dinte nicht geschont, versicherte jedoch, daß er noch zu wenig gethan habe.
Solche Stücke wurden zwar anonym vor¬ gelesen und recensirt; allein man paßte ein¬ ander auf, und es blieb kein Geheimniß, daß diese verunglückte Götterversammlung mein Wert gewesen sey. Da mir jedoch seine Kri¬ tik, wenn ich seinen Standpunct annahm, ganz richtig zu seyn schien, und jene Gott¬ heiten, näher besehen, freylich nur hohle
nahm die Sache ſtreng, und indem er das Parodiſtiſche, was denn doch in dem Einfall lag, gar nicht beachtete, ſo erklaͤrte er den großen Aufwand von goͤttlichen Mitteln zu einem ſo geringen menſchlichen Zweck fuͤr aͤußerſt tadelnswerth, verwies den Gebrauch und Misbrauch ſolcher mythologiſchen Figuren als eine falſche, aus pedantiſchen Zeiten ſich herſchreibende Gewohnheit, fand den Aus¬ druck bald zu hoch, bald zu niedrig, und hat¬ te zwar im Einzelnen der rothen Dinte nicht geſchont, verſicherte jedoch, daß er noch zu wenig gethan habe.
Solche Stuͤcke wurden zwar anonym vor¬ geleſen und recenſirt; allein man paßte ein¬ ander auf, und es blieb kein Geheimniß, daß dieſe verungluͤckte Goͤtterverſammlung mein Wert geweſen ſey. Da mir jedoch ſeine Kri¬ tik, wenn ich ſeinen Standpunct annahm, ganz richtig zu ſeyn ſchien, und jene Gott¬ heiten, naͤher beſehen, freylich nur hohle
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0218"n="210"/>
nahm die Sache ſtreng, und indem er das<lb/>
Parodiſtiſche, was denn doch in dem Einfall<lb/>
lag, gar nicht beachtete, ſo erklaͤrte er den<lb/>
großen Aufwand von goͤttlichen Mitteln zu<lb/>
einem ſo geringen menſchlichen Zweck fuͤr<lb/>
aͤußerſt tadelnswerth, verwies den Gebrauch<lb/>
und Misbrauch ſolcher mythologiſchen Figuren<lb/>
als eine falſche, aus pedantiſchen Zeiten ſich<lb/>
herſchreibende Gewohnheit, fand den Aus¬<lb/>
druck bald zu hoch, bald zu niedrig, und hat¬<lb/>
te zwar im Einzelnen der rothen Dinte nicht<lb/>
geſchont, verſicherte jedoch, daß er noch zu<lb/>
wenig gethan habe.</p><lb/><p>Solche Stuͤcke wurden zwar anonym vor¬<lb/>
geleſen und recenſirt; allein man paßte ein¬<lb/>
ander auf, und es blieb kein Geheimniß, daß<lb/>
dieſe verungluͤckte Goͤtterverſammlung mein<lb/>
Wert geweſen ſey. Da mir jedoch ſeine Kri¬<lb/>
tik, wenn ich ſeinen Standpunct annahm,<lb/>
ganz richtig zu ſeyn ſchien, und jene Gott¬<lb/>
heiten, naͤher beſehen, freylich nur hohle<lb/></p></div></body></text></TEI>
[210/0218]
nahm die Sache ſtreng, und indem er das
Parodiſtiſche, was denn doch in dem Einfall
lag, gar nicht beachtete, ſo erklaͤrte er den
großen Aufwand von goͤttlichen Mitteln zu
einem ſo geringen menſchlichen Zweck fuͤr
aͤußerſt tadelnswerth, verwies den Gebrauch
und Misbrauch ſolcher mythologiſchen Figuren
als eine falſche, aus pedantiſchen Zeiten ſich
herſchreibende Gewohnheit, fand den Aus¬
druck bald zu hoch, bald zu niedrig, und hat¬
te zwar im Einzelnen der rothen Dinte nicht
geſchont, verſicherte jedoch, daß er noch zu
wenig gethan habe.
Solche Stuͤcke wurden zwar anonym vor¬
geleſen und recenſirt; allein man paßte ein¬
ander auf, und es blieb kein Geheimniß, daß
dieſe verungluͤckte Goͤtterverſammlung mein
Wert geweſen ſey. Da mir jedoch ſeine Kri¬
tik, wenn ich ſeinen Standpunct annahm,
ganz richtig zu ſeyn ſchien, und jene Gott¬
heiten, naͤher beſehen, freylich nur hohle
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/218>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.