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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812.

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Ich fühlte mich so weit von jener leichten und
leichtfertigen Periode entfernt, in welcher mir
ein Aehnliches Freude gemacht hätte, und da
ich der Lage selbst nichts abgewinnen konnte,
so dachte ich meine Arbeit mit äußerlichem
Schmuck auf das beste herauszustutzen. Ich
versammelte daher den ganzen Olymp, um
über die Heirat eines Frankfurter Rechtsge¬
lehrten zu rathschlagen; und zwar ernsthaft
genug, wie es sich zum Feste eines solchen
Ehrenmanns wohl schickte. Venus und The¬
mis hatten sich um seinetwillen überworfen;
doch ein schelmischer Streich, den Amor der
letzteren spielte, ließ jene den Proceß gewinnen,
und die Götter entschieden für die Heirat.

Die Arbeit misfiel mir keineswegs. Ich
erhielt von Hause darüber ein schönes Belo¬
bungsschreiben, bemühte mich mit einer noch¬
maligen guten Abschrift und hoffte meinem
Lehrer doch auch einigen Beyfall abzunöthigen.
Allein hier hatte ich's schlecht getroffen. Er

II. 14

Ich fuͤhlte mich ſo weit von jener leichten und
leichtfertigen Periode entfernt, in welcher mir
ein Aehnliches Freude gemacht haͤtte, und da
ich der Lage ſelbſt nichts abgewinnen konnte,
ſo dachte ich meine Arbeit mit aͤußerlichem
Schmuck auf das beſte herauszuſtutzen. Ich
verſammelte daher den ganzen Olymp, um
uͤber die Heirat eines Frankfurter Rechtsge¬
lehrten zu rathſchlagen; und zwar ernſthaft
genug, wie es ſich zum Feſte eines ſolchen
Ehrenmanns wohl ſchickte. Venus und The¬
mis hatten ſich um ſeinetwillen uͤberworfen;
doch ein ſchelmiſcher Streich, den Amor der
letzteren ſpielte, ließ jene den Proceß gewinnen,
und die Goͤtter entſchieden fuͤr die Heirat.

Die Arbeit misfiel mir keineswegs. Ich
erhielt von Hauſe daruͤber ein ſchoͤnes Belo¬
bungsſchreiben, bemuͤhte mich mit einer noch¬
maligen guten Abſchrift und hoffte meinem
Lehrer doch auch einigen Beyfall abzunoͤthigen.
Allein hier hatte ich's ſchlecht getroffen. Er

II. 14
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[209/0217] Ich fuͤhlte mich ſo weit von jener leichten und leichtfertigen Periode entfernt, in welcher mir ein Aehnliches Freude gemacht haͤtte, und da ich der Lage ſelbſt nichts abgewinnen konnte, ſo dachte ich meine Arbeit mit aͤußerlichem Schmuck auf das beſte herauszuſtutzen. Ich verſammelte daher den ganzen Olymp, um uͤber die Heirat eines Frankfurter Rechtsge¬ lehrten zu rathſchlagen; und zwar ernſthaft genug, wie es ſich zum Feſte eines ſolchen Ehrenmanns wohl ſchickte. Venus und The¬ mis hatten ſich um ſeinetwillen uͤberworfen; doch ein ſchelmiſcher Streich, den Amor der letzteren ſpielte, ließ jene den Proceß gewinnen, und die Goͤtter entſchieden fuͤr die Heirat. Die Arbeit misfiel mir keineswegs. Ich erhielt von Hauſe daruͤber ein ſchoͤnes Belo¬ bungsſchreiben, bemuͤhte mich mit einer noch¬ maligen guten Abſchrift und hoffte meinem Lehrer doch auch einigen Beyfall abzunoͤthigen. Allein hier hatte ich's ſchlecht getroffen. Er II. 14

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/217>, abgerufen am 22.11.2024.