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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812.

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lige aufgestellt zu werden, um ihr jede Vereh¬
rung zu widmen, welche zu ertheilen oft mehr
Behagen erregt als zu empfangen. Ich sah
sie täglich ohne Hindernisse, sie half die Spei¬
sen bereiten, die ich genoß, sie brachte mir
wenigstens Abends den Wein, den ich trank,
und schon unsere mittägige abgeschlossene Tisch¬
gesellschaft war Bürge, daß das kleine, von
wenig Gästen außer der Messe besuchte Haus
seinen guten Ruf wohl verdiente. Es fand sich
zu mancherley Unterhaltung Gelegenheit und
Lust. Da sie sich aber aus dem Hause wenig
entfernen konnte noch durfte, so wurde denn
doch der Zeitvertreib etwas mager. Wir sangen
die Lieder von Zachariä, spielten den Herzog
Michel
von Krüger, wobey ein zusammen¬
geknüpftes Schnupftuch die Stelle der Nachti¬
gall vertreten mußte, und so ging es eine Zeit
lang noch ganz leidlich. Weil aber dergleichen
Verhältnisse, je unschuldiger sie sind, desto we¬
niger Mannigfaltigkeit auf die Dauer gewäh¬
ren, so ward ich von jener bösen Sucht befal¬

lige aufgeſtellt zu werden, um ihr jede Vereh¬
rung zu widmen, welche zu ertheilen oft mehr
Behagen erregt als zu empfangen. Ich ſah
ſie taͤglich ohne Hinderniſſe, ſie half die Spei¬
ſen bereiten, die ich genoß, ſie brachte mir
wenigſtens Abends den Wein, den ich trank,
und ſchon unſere mittaͤgige abgeſchloſſene Tiſch¬
geſellſchaft war Buͤrge, daß das kleine, von
wenig Gaͤſten außer der Meſſe beſuchte Haus
ſeinen guten Ruf wohl verdiente. Es fand ſich
zu mancherley Unterhaltung Gelegenheit und
Luſt. Da ſie ſich aber aus dem Hauſe wenig
entfernen konnte noch durfte, ſo wurde denn
doch der Zeitvertreib etwas mager. Wir ſangen
die Lieder von Zachariaͤ, ſpielten den Herzog
Michel
von Kruͤger, wobey ein zuſammen¬
geknuͤpftes Schnupftuch die Stelle der Nachti¬
gall vertreten mußte, und ſo ging es eine Zeit
lang noch ganz leidlich. Weil aber dergleichen
Verhaͤltniſſe, je unſchuldiger ſie ſind, deſto we¬
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[167/0175] lige aufgeſtellt zu werden, um ihr jede Vereh¬ rung zu widmen, welche zu ertheilen oft mehr Behagen erregt als zu empfangen. Ich ſah ſie taͤglich ohne Hinderniſſe, ſie half die Spei¬ ſen bereiten, die ich genoß, ſie brachte mir wenigſtens Abends den Wein, den ich trank, und ſchon unſere mittaͤgige abgeſchloſſene Tiſch¬ geſellſchaft war Buͤrge, daß das kleine, von wenig Gaͤſten außer der Meſſe beſuchte Haus ſeinen guten Ruf wohl verdiente. Es fand ſich zu mancherley Unterhaltung Gelegenheit und Luſt. Da ſie ſich aber aus dem Hauſe wenig entfernen konnte noch durfte, ſo wurde denn doch der Zeitvertreib etwas mager. Wir ſangen die Lieder von Zachariaͤ, ſpielten den Herzog Michel von Kruͤger, wobey ein zuſammen¬ geknuͤpftes Schnupftuch die Stelle der Nachti¬ gall vertreten mußte, und ſo ging es eine Zeit lang noch ganz leidlich. Weil aber dergleichen Verhaͤltniſſe, je unſchuldiger ſie ſind, deſto we¬ niger Mannigfaltigkeit auf die Dauer gewaͤh¬ ren, ſo ward ich von jener boͤſen Sucht befal¬

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/175>, abgerufen am 25.11.2024.