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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812.

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mich in dieser geschlossenen Gesellschaft um so
wohler, als mir die Tochter vom Hause, ein
gar hübsches, nettes Mädchen, sehr wohl ge¬
fiel, und mir Gelegenheit ward freundliche
Blicke zu wechseln, ein Behagen, das ich
seit dem Unfall mit Gretchen weder gesucht
noch zufällig gefunden hatte. Die Stunden
des Mittagsessens brachte ich mit meinen
Freunden heiter und nützlich zu. Krebel hat¬
te mich wirklich lieb und wußte mich mit
Maßen zu necken und anzuregen; Pfeil hin¬
gegen bewies mir eine ernste Neigung, in¬
dem er mein Urtheil über manches zu leiten
und zu bestimmen suchte.

Bey diesem Umgange wurde ich durch
Gespräche, durch Beyspiele und durch eignes
Nachdenken gewahr, daß der erste Schritt,
um aus der wäßrigen, weitschweifigen, nul¬
len Epoche sich herauszuretten, nur durch
Bestimmtheit, Präcision und Kürze gethan
werden könne. Bey dem bisherigen Styl

mich in dieſer geſchloſſenen Geſellſchaft um ſo
wohler, als mir die Tochter vom Hauſe, ein
gar huͤbſches, nettes Maͤdchen, ſehr wohl ge¬
fiel, und mir Gelegenheit ward freundliche
Blicke zu wechſeln, ein Behagen, das ich
ſeit dem Unfall mit Gretchen weder geſucht
noch zufaͤllig gefunden hatte. Die Stunden
des Mittagseſſens brachte ich mit meinen
Freunden heiter und nuͤtzlich zu. Krebel hat¬
te mich wirklich lieb und wußte mich mit
Maßen zu necken und anzuregen; Pfeil hin¬
gegen bewies mir eine ernſte Neigung, in¬
dem er mein Urtheil uͤber manches zu leiten
und zu beſtimmen ſuchte.

Bey dieſem Umgange wurde ich durch
Geſpraͤche, durch Beyſpiele und durch eignes
Nachdenken gewahr, daß der erſte Schritt,
um aus der waͤßrigen, weitſchweifigen, nul¬
len Epoche ſich herauszuretten, nur durch
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[132/0140] mich in dieſer geſchloſſenen Geſellſchaft um ſo wohler, als mir die Tochter vom Hauſe, ein gar huͤbſches, nettes Maͤdchen, ſehr wohl ge¬ fiel, und mir Gelegenheit ward freundliche Blicke zu wechſeln, ein Behagen, das ich ſeit dem Unfall mit Gretchen weder geſucht noch zufaͤllig gefunden hatte. Die Stunden des Mittagseſſens brachte ich mit meinen Freunden heiter und nuͤtzlich zu. Krebel hat¬ te mich wirklich lieb und wußte mich mit Maßen zu necken und anzuregen; Pfeil hin¬ gegen bewies mir eine ernſte Neigung, in¬ dem er mein Urtheil uͤber manches zu leiten und zu beſtimmen ſuchte. Bey dieſem Umgange wurde ich durch Geſpraͤche, durch Beyſpiele und durch eignes Nachdenken gewahr, daß der erſte Schritt, um aus der waͤßrigen, weitſchweifigen, nul¬ len Epoche ſich herauszuretten, nur durch Beſtimmtheit, Praͤciſion und Kuͤrze gethan werden koͤnne. Bey dem bisherigen Styl

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/140>, abgerufen am 25.11.2024.