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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811.

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Durch schnelles Ergreifen, Verarbeiten
und Festhalten entwuchs ich sehr bald dem
Unterricht, den mir mein Vater und die
übrigen Lehrmeister geben konnten, ohne daß
ich doch in irgend etwas begründet gewesen
wäre. Die Grammatik misfiel mir, weil ich
sie nur als ein willkührliches Gesetz ansah;
die Regeln schienen mir lächerlich, weil sie
durch so viele Ausnahmen aufgehoben wurden,
die ich alle wieder besonders lernen sollte.
Und wäre nicht der gereimte angehende Latei¬
ner gewesen, so hätte es schlimm mit mir
ausgesehen; doch diesen trommelte und sang
ich mir gern vor. So hatten wir auch eine
Geographie in solchen Gedächtnißversen, wo
uns die abgeschmacktesten Reime das zu Be¬
haltende am besten einprägten, z. B:

Ober-Yssel; viel Morast
Macht das gute Land verhaßt.

Die Sprachformen und Wendungen faßte
ich leicht; so auch entwickelte ich mir schnell,

Durch ſchnelles Ergreifen, Verarbeiten
und Feſthalten entwuchs ich ſehr bald dem
Unterricht, den mir mein Vater und die
uͤbrigen Lehrmeiſter geben konnten, ohne daß
ich doch in irgend etwas begruͤndet geweſen
waͤre. Die Grammatik misfiel mir, weil ich
ſie nur als ein willkuͤhrliches Geſetz anſah;
die Regeln ſchienen mir laͤcherlich, weil ſie
durch ſo viele Ausnahmen aufgehoben wurden,
die ich alle wieder beſonders lernen ſollte.
Und waͤre nicht der gereimte angehende Latei¬
ner geweſen, ſo haͤtte es ſchlimm mit mir
ausgeſehen; doch dieſen trommelte und ſang
ich mir gern vor. So hatten wir auch eine
Geographie in ſolchen Gedaͤchtnißverſen, wo
uns die abgeſchmackteſten Reime das zu Be¬
haltende am beſten einpraͤgten, z. B:

Ober-Yſſel; viel Moraſt
Macht das gute Land verhaßt.

Die Sprachformen und Wendungen faßte
ich leicht; ſo auch entwickelte ich mir ſchnell,

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[57/0073] Durch ſchnelles Ergreifen, Verarbeiten und Feſthalten entwuchs ich ſehr bald dem Unterricht, den mir mein Vater und die uͤbrigen Lehrmeiſter geben konnten, ohne daß ich doch in irgend etwas begruͤndet geweſen waͤre. Die Grammatik misfiel mir, weil ich ſie nur als ein willkuͤhrliches Geſetz anſah; die Regeln ſchienen mir laͤcherlich, weil ſie durch ſo viele Ausnahmen aufgehoben wurden, die ich alle wieder beſonders lernen ſollte. Und waͤre nicht der gereimte angehende Latei¬ ner geweſen, ſo haͤtte es ſchlimm mit mir ausgeſehen; doch dieſen trommelte und ſang ich mir gern vor. So hatten wir auch eine Geographie in ſolchen Gedaͤchtnißverſen, wo uns die abgeſchmackteſten Reime das zu Be¬ haltende am beſten einpraͤgten, z. B: Ober-Yſſel; viel Moraſt Macht das gute Land verhaßt. Die Sprachformen und Wendungen faßte ich leicht; ſo auch entwickelte ich mir ſchnell,

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/73>, abgerufen am 22.11.2024.