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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811.

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Flammen zu speyen: denn überall meldet
sich Rauch und Brand in den Ruinen. Sech¬
zigtausend Menschen, einen Augenblick zuvor
noch ruhig und behaglich, gehen mit einander
zu Grunde, und der glücklichste darunter ist der
zu nennen, dem keine Empfindung, keine Be¬
sinnung über das Unglück mehr gestattet ist.
Die Flammen wüthen fort, und mit ihnen wü¬
thet eine Schaar sonst verborgner, oder durch
dieses Ereigniß in Freyheit gesetzter Verbrecher.
Die unglücklichen Uebriggebliebenen sind dem
Raube, dem Morde, allen Mißhandlungen
blosgestellt; und so behauptet von allen Sei¬
ten die Natur ihre schrankenlose Willkühr.

Schneller als die Nachrichten hatten schon
Andeutungen von diesem Vorfall sich durch
große Landstrecken verbreitet; an vielen Orten
waren schwächere Erschütterungen zu verspü¬
ren, an manchen Quellen, besonders den
heilsamen, ein ungewöhnliches Innehalten zu
bemerken gewesen: um desto größer war die

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Flammen zu ſpeyen: denn uͤberall meldet
ſich Rauch und Brand in den Ruinen. Sech¬
zigtauſend Menſchen, einen Augenblick zuvor
noch ruhig und behaglich, gehen mit einander
zu Grunde, und der gluͤcklichſte darunter iſt der
zu nennen, dem keine Empfindung, keine Be¬
ſinnung uͤber das Ungluͤck mehr geſtattet iſt.
Die Flammen wuͤthen fort, und mit ihnen wuͤ¬
thet eine Schaar ſonſt verborgner, oder durch
dieſes Ereigniß in Freyheit geſetzter Verbrecher.
Die ungluͤcklichen Uebriggebliebenen ſind dem
Raube, dem Morde, allen Mißhandlungen
blosgeſtellt; und ſo behauptet von allen Sei¬
ten die Natur ihre ſchrankenloſe Willkuͤhr.

Schneller als die Nachrichten hatten ſchon
Andeutungen von dieſem Vorfall ſich durch
große Landſtrecken verbreitet; an vielen Orten
waren ſchwaͤchere Erſchuͤtterungen zu verſpuͤ¬
ren, an manchen Quellen, beſonders den
heilſamen, ein ungewoͤhnliches Innehalten zu
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[51/0067] Flammen zu ſpeyen: denn uͤberall meldet ſich Rauch und Brand in den Ruinen. Sech¬ zigtauſend Menſchen, einen Augenblick zuvor noch ruhig und behaglich, gehen mit einander zu Grunde, und der gluͤcklichſte darunter iſt der zu nennen, dem keine Empfindung, keine Be¬ ſinnung uͤber das Ungluͤck mehr geſtattet iſt. Die Flammen wuͤthen fort, und mit ihnen wuͤ¬ thet eine Schaar ſonſt verborgner, oder durch dieſes Ereigniß in Freyheit geſetzter Verbrecher. Die ungluͤcklichen Uebriggebliebenen ſind dem Raube, dem Morde, allen Mißhandlungen blosgeſtellt; und ſo behauptet von allen Sei¬ ten die Natur ihre ſchrankenloſe Willkuͤhr. Schneller als die Nachrichten hatten ſchon Andeutungen von dieſem Vorfall ſich durch große Landſtrecken verbreitet; an vielen Orten waren ſchwaͤchere Erſchuͤtterungen zu verſpuͤ¬ ren, an manchen Quellen, beſonders den heilſamen, ein ungewoͤhnliches Innehalten zu bemerken geweſen: um deſto groͤßer war die 4 *

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/67>, abgerufen am 22.11.2024.