terbrochen worden, daß nicht immer der Fleiß und die Genauigkeit der Handwerker seinen Forderungen entsprachen: so hätte man kein glücklicheres Leben denken können, zumal da manches Gute theils in der Familie selbst entsprang, theils ihr von außen zufloß.
Durch ein außerordentliches Weltereigniß wurde jedoch die Gemüthsruhe des Knaben zum ersten Mal im Tiefsten erschüttert. Am ersten November 1755 ereignete sich das Erdbeben von Lissabon, und verbreitete über die in Frieden und Ruhe schon eingewohnte Welt einen ungeheuren Schrecken. Eine gro¬ ße prächtige Residenz, zugleich Handels- und Hafenstadt, wird ungewarnt von dem furcht¬ barsten Unglück betroffen. Die Erde bebt und schwankt, das Meer braust auf, die Schiffe schlagen zusammen, die Häuser stür¬ zen ein, Kirchen und Thürme darüber her, der königliche Palast zum Theil wird vom Meere verschlungen, die geborstene Erde scheint
terbrochen worden, daß nicht immer der Fleiß und die Genauigkeit der Handwerker ſeinen Forderungen entſprachen: ſo haͤtte man kein gluͤcklicheres Leben denken koͤnnen, zumal da manches Gute theils in der Familie ſelbſt entſprang, theils ihr von außen zufloß.
Durch ein außerordentliches Weltereigniß wurde jedoch die Gemuͤthsruhe des Knaben zum erſten Mal im Tiefſten erſchuͤttert. Am erſten November 1755 ereignete ſich das Erdbeben von Liſſabon, und verbreitete uͤber die in Frieden und Ruhe ſchon eingewohnte Welt einen ungeheuren Schrecken. Eine gro¬ ße praͤchtige Reſidenz, zugleich Handels- und Hafenſtadt, wird ungewarnt von dem furcht¬ barſten Ungluͤck betroffen. Die Erde bebt und ſchwankt, das Meer brauſt auf, die Schiffe ſchlagen zuſammen, die Haͤuſer ſtuͤr¬ zen ein, Kirchen und Thuͤrme daruͤber her, der koͤnigliche Palaſt zum Theil wird vom Meere verſchlungen, die geborſtene Erde ſcheint
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terbrochen worden, daß nicht immer der Fleiß
und die Genauigkeit der Handwerker ſeinen
Forderungen entſprachen: ſo haͤtte man kein
gluͤcklicheres Leben denken koͤnnen, zumal da
manches Gute theils in der Familie ſelbſt
entſprang, theils ihr von außen zufloß.
Durch ein außerordentliches Weltereigniß
wurde jedoch die Gemuͤthsruhe des Knaben
zum erſten Mal im Tiefſten erſchuͤttert. Am
erſten November 1755 ereignete ſich das
Erdbeben von Liſſabon, und verbreitete uͤber
die in Frieden und Ruhe ſchon eingewohnte
Welt einen ungeheuren Schrecken. Eine gro¬
ße praͤchtige Reſidenz, zugleich Handels- und
Hafenſtadt, wird ungewarnt von dem furcht¬
barſten Ungluͤck betroffen. Die Erde bebt
und ſchwankt, das Meer brauſt auf, die
Schiffe ſchlagen zuſammen, die Haͤuſer ſtuͤr¬
zen ein, Kirchen und Thuͤrme daruͤber her,
der koͤnigliche Palaſt zum Theil wird vom
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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/66>, abgerufen am 23.11.2024.
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