gelassen und dankbar empfangen will. In rohern und derberen Zeiten herrschte der Ge¬ brauch, den Hafer, gleich nachdem der Erbmar¬ schall das Theil weggenommen, den Spring¬ brunnen, nachdem der Erbschenk, die Küche, nachdem der Erbtruchseß sein Amt verrichtet, auf der Stelle Preis zu geben. Dießmal aber hielt man, um alles Unglück zu verhü¬ ten, so viel es sich thun ließ, Ordnung und Maß. Doch fielen die alten schadenfrohen Späße wieder vor, daß wenn einer einen Sack Hafer aufgepackt hatte, der andre ihm ein Loch hineinschnilt, und was dergleichen Artigkeiten mehr waren. Um den gebratnen Ochsen aber wurde dießmal wie sonst ein ern¬ sterer Kampf geführt. Man konnte sich den¬ selben nur in Masse streitig machen. Zwey Innungen, die Metzger und Weinschröter, hatten sich hergebrachtermaßen wieder so po¬ stirt, daß einer von beyden dieser ungeheure Braten zu Theil werden mußte. Die Metz¬ ger glaubten das größte Recht an einen Och¬
gelaſſen und dankbar empfangen will. In rohern und derberen Zeiten herrſchte der Ge¬ brauch, den Hafer, gleich nachdem der Erbmar¬ ſchall das Theil weggenommen, den Spring¬ brunnen, nachdem der Erbſchenk, die Kuͤche, nachdem der Erbtruchſeß ſein Amt verrichtet, auf der Stelle Preis zu geben. Dießmal aber hielt man, um alles Ungluͤck zu verhuͤ¬ ten, ſo viel es ſich thun ließ, Ordnung und Maß. Doch fielen die alten ſchadenfrohen Spaͤße wieder vor, daß wenn einer einen Sack Hafer aufgepackt hatte, der andre ihm ein Loch hineinſchnilt, und was dergleichen Artigkeiten mehr waren. Um den gebratnen Ochſen aber wurde dießmal wie ſonſt ein ern¬ ſterer Kampf gefuͤhrt. Man konnte ſich den¬ ſelben nur in Maſſe ſtreitig machen. Zwey Innungen, die Metzger und Weinſchroͤter, hatten ſich hergebrachtermaßen wieder ſo po¬ ſtirt, daß einer von beyden dieſer ungeheure Braten zu Theil werden mußte. Die Metz¬ ger glaubten das groͤßte Recht an einen Och¬
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gelaſſen und dankbar empfangen will. In
rohern und derberen Zeiten herrſchte der Ge¬
brauch, den Hafer, gleich nachdem der Erbmar¬
ſchall das Theil weggenommen, den Spring¬
brunnen, nachdem der Erbſchenk, die Kuͤche,
nachdem der Erbtruchſeß ſein Amt verrichtet,
auf der Stelle Preis zu geben. Dießmal
aber hielt man, um alles Ungluͤck zu verhuͤ¬
ten, ſo viel es ſich thun ließ, Ordnung und
Maß. Doch fielen die alten ſchadenfrohen
Spaͤße wieder vor, daß wenn einer einen
Sack Hafer aufgepackt hatte, der andre ihm
ein Loch hineinſchnilt, und was dergleichen
Artigkeiten mehr waren. Um den gebratnen
Ochſen aber wurde dießmal wie ſonſt ein ern¬
ſterer Kampf gefuͤhrt. Man konnte ſich den¬
ſelben nur in Maſſe ſtreitig machen. Zwey
Innungen, die Metzger und Weinſchroͤter,
hatten ſich hergebrachtermaßen wieder ſo po¬
ſtirt, daß einer von beyden dieſer ungeheure
Braten zu Theil werden mußte. Die Metz¬
ger glaubten das groͤßte Recht an einen Och¬
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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 488. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/504>, abgerufen am 21.11.2024.
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