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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811.

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Das Gespräch ward in der Art fortgeführt,
sie setzte sich bestimmt vor, Unterricht im
Französischen zu nehmen, dessen Unerläßlichkeit
sie im Laden der Putzhändlerinn wohl gewahr
worden. Ich fragte sie, warum sie nicht mehr
dorthin gehe: denn in der letzten Zeit, da ich
des Abends nicht viel abkommen konnte, war
ich manchmal bey Tage, ihr zu Gefallen, am
Laden vorbey gegangen, um sie nur einen
Augenblick zu sehen. Sie erklärte mir, daß
sie in dieser unruhigen Zeit sich dort nicht
hätte aussetzen wollen. Befände sich die Stadt
wieder in ihrem vorigen Zustande, so denke
sie auch wieder hinzugehen.

Nun war von dem nächst bevorstehenden
Wahltag die Rede. Was und wie es vor¬
gehe, wußte ich weitläuftig zu erzählen, und
meine Demonstration durch umständliche Zeich¬
nungen auf der Tafel zu unterstützen; wie
ich denn den Raum des Conclave mit seinen
Altären, Thronen, Sesseln und Sitzen voll¬

Das Geſpraͤch ward in der Art fortgefuͤhrt,
ſie ſetzte ſich beſtimmt vor, Unterricht im
Franzoͤſiſchen zu nehmen, deſſen Unerlaͤßlichkeit
ſie im Laden der Putzhaͤndlerinn wohl gewahr
worden. Ich fragte ſie, warum ſie nicht mehr
dorthin gehe: denn in der letzten Zeit, da ich
des Abends nicht viel abkommen konnte, war
ich manchmal bey Tage, ihr zu Gefallen, am
Laden vorbey gegangen, um ſie nur einen
Augenblick zu ſehen. Sie erklaͤrte mir, daß
ſie in dieſer unruhigen Zeit ſich dort nicht
haͤtte ausſetzen wollen. Befaͤnde ſich die Stadt
wieder in ihrem vorigen Zuſtande, ſo denke
ſie auch wieder hinzugehen.

Nun war von dem naͤchſt bevorſtehenden
Wahltag die Rede. Was und wie es vor¬
gehe, wußte ich weitlaͤuftig zu erzaͤhlen, und
meine Demonſtration durch umſtaͤndliche Zeich¬
nungen auf der Tafel zu unterſtuͤtzen; wie
ich denn den Raum des Conclave mit ſeinen
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[444/0460] Das Geſpraͤch ward in der Art fortgefuͤhrt, ſie ſetzte ſich beſtimmt vor, Unterricht im Franzoͤſiſchen zu nehmen, deſſen Unerlaͤßlichkeit ſie im Laden der Putzhaͤndlerinn wohl gewahr worden. Ich fragte ſie, warum ſie nicht mehr dorthin gehe: denn in der letzten Zeit, da ich des Abends nicht viel abkommen konnte, war ich manchmal bey Tage, ihr zu Gefallen, am Laden vorbey gegangen, um ſie nur einen Augenblick zu ſehen. Sie erklaͤrte mir, daß ſie in dieſer unruhigen Zeit ſich dort nicht haͤtte ausſetzen wollen. Befaͤnde ſich die Stadt wieder in ihrem vorigen Zuſtande, ſo denke ſie auch wieder hinzugehen. Nun war von dem naͤchſt bevorſtehenden Wahltag die Rede. Was und wie es vor¬ gehe, wußte ich weitlaͤuftig zu erzaͤhlen, und meine Demonſtration durch umſtaͤndliche Zeich¬ nungen auf der Tafel zu unterſtuͤtzen; wie ich denn den Raum des Conclave mit ſeinen Altaͤren, Thronen, Seſſeln und Sitzen voll¬

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 444. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/460>, abgerufen am 14.06.2024.