Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811.

Bild:
<< vorherige Seite

teten goldnen Bulle erinnert. Nicht allein
die zum Geschäft Verordneten und ihre Be¬
gleiter, sondern manche Standes- und andre
Personen, die aus Neugier oder zu Privat¬
zwecken herankommen, stehen unter Protec¬
tion, und die Frage: wer eigentlich einquar¬
tiert wird und wer selbst sich eine Wohnung
miethen, soll? ist nicht immer sogleich entschie¬
den. Das Getümmel wächst, und selbst
diejenigen die nichts dabey zu leisten oder zu
verantworten haben, fangen an sich unbehag¬
lich zu fühlen.

Selbst wir jungen Leute, die wir das
alles wohl mit ansehen konnten, fanden doch
immer nicht genug Befriedigung für unsere
Augen, für unsre Einbildungskraft. Die
spanischen Mantelkleider, die großen Feder¬
hüte der Gesandten und hie und da noch ei¬
niges andere, gaben wohl ein ächt alterthüm¬
liches Ansehen; manches dagegen war wieder
so halb neu oder ganz modern, daß überall

teten goldnen Bulle erinnert. Nicht allein
die zum Geſchaͤft Verordneten und ihre Be¬
gleiter, ſondern manche Standes- und andre
Perſonen, die aus Neugier oder zu Privat¬
zwecken herankommen, ſtehen unter Protec¬
tion, und die Frage: wer eigentlich einquar¬
tiert wird und wer ſelbſt ſich eine Wohnung
miethen, ſoll? iſt nicht immer ſogleich entſchie¬
den. Das Getuͤmmel waͤchſt, und ſelbſt
diejenigen die nichts dabey zu leiſten oder zu
verantworten haben, fangen an ſich unbehag¬
lich zu fuͤhlen.

Selbſt wir jungen Leute, die wir das
alles wohl mit anſehen konnten, fanden doch
immer nicht genug Befriedigung fuͤr unſere
Augen, fuͤr unſre Einbildungskraft. Die
ſpaniſchen Mantelkleider, die großen Feder¬
huͤte der Geſandten und hie und da noch ei¬
niges andere, gaben wohl ein aͤcht alterthuͤm¬
liches Anſehen; manches dagegen war wieder
ſo halb neu oder ganz modern, daß uͤberall

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0452" n="436"/>
teten goldnen Bulle erinnert. Nicht allein<lb/>
die zum Ge&#x017F;cha&#x0364;ft Verordneten und ihre Be¬<lb/>
gleiter, &#x017F;ondern manche Standes- und andre<lb/>
Per&#x017F;onen, die aus Neugier oder zu Privat¬<lb/>
zwecken herankommen, &#x017F;tehen unter Protec¬<lb/>
tion, und die Frage: wer eigentlich einquar¬<lb/>
tiert wird und wer &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;ich eine Wohnung<lb/>
miethen, &#x017F;oll? i&#x017F;t nicht immer &#x017F;ogleich ent&#x017F;chie¬<lb/>
den. Das Getu&#x0364;mmel wa&#x0364;ch&#x017F;t, und &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
diejenigen die nichts dabey zu lei&#x017F;ten oder zu<lb/>
verantworten haben, fangen an &#x017F;ich unbehag¬<lb/>
lich zu fu&#x0364;hlen.</p><lb/>
        <p>Selb&#x017F;t wir jungen Leute, die wir das<lb/>
alles wohl mit an&#x017F;ehen konnten, fanden doch<lb/>
immer nicht genug Befriedigung fu&#x0364;r un&#x017F;ere<lb/>
Augen, fu&#x0364;r un&#x017F;re Einbildungskraft. Die<lb/>
&#x017F;pani&#x017F;chen Mantelkleider, die großen Feder¬<lb/>
hu&#x0364;te der Ge&#x017F;andten und hie und da noch ei¬<lb/>
niges andere, gaben wohl ein a&#x0364;cht alterthu&#x0364;<lb/>
liches An&#x017F;ehen; manches dagegen war wieder<lb/>
&#x017F;o halb neu oder ganz modern, daß u&#x0364;berall<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[436/0452] teten goldnen Bulle erinnert. Nicht allein die zum Geſchaͤft Verordneten und ihre Be¬ gleiter, ſondern manche Standes- und andre Perſonen, die aus Neugier oder zu Privat¬ zwecken herankommen, ſtehen unter Protec¬ tion, und die Frage: wer eigentlich einquar¬ tiert wird und wer ſelbſt ſich eine Wohnung miethen, ſoll? iſt nicht immer ſogleich entſchie¬ den. Das Getuͤmmel waͤchſt, und ſelbſt diejenigen die nichts dabey zu leiſten oder zu verantworten haben, fangen an ſich unbehag¬ lich zu fuͤhlen. Selbſt wir jungen Leute, die wir das alles wohl mit anſehen konnten, fanden doch immer nicht genug Befriedigung fuͤr unſere Augen, fuͤr unſre Einbildungskraft. Die ſpaniſchen Mantelkleider, die großen Feder¬ huͤte der Geſandten und hie und da noch ei¬ niges andere, gaben wohl ein aͤcht alterthuͤm¬ liches Anſehen; manches dagegen war wieder ſo halb neu oder ganz modern, daß uͤberall

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/452
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 436. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/452>, abgerufen am 13.06.2024.