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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811.

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ich war aufs äußerste verwirrt, und zugleich
liebte ich mein Zaudern, weil es mich in der
Nähe des Kindes hielt, dessen Maske mich
verdroß, und das mir doch in dieser Maske
reizender vorkam als jemals. Endlich mochte
die Putzhändlerinn alle Geduld verlieren, und
suchte mir eigenhändig einen ganzen Pappen¬
kasten voll Blumen aus, den ich meiner
Schwester vorstellen und sie selbst sollte wäh¬
len lassen. So wurde ich zum Laden gleich¬
sam hinausgetrieben, indem sie den Kasten
durch ihr Mädchen vorausschickte.

Kaum war ich zu Hause angekommen,
als mein Vater mich berufen ließ und mir
die Eröffnung that, es sey nun ganz gewiß,
daß der Erzherzog Joseph zum römischen
König gewählt und gekrönt werden solle.
Ein so höchst bedeutendes Ereigniß müsse
man nicht unvorbereitet erwarten, und etwa
nur gaffend und staunend an sich vorbey gehen
lassen. Er wolle daher die Wahl- und Krö¬

ich war aufs aͤußerſte verwirrt, und zugleich
liebte ich mein Zaudern, weil es mich in der
Naͤhe des Kindes hielt, deſſen Maske mich
verdroß, und das mir doch in dieſer Maske
reizender vorkam als jemals. Endlich mochte
die Putzhaͤndlerinn alle Geduld verlieren, und
ſuchte mir eigenhaͤndig einen ganzen Pappen¬
kaſten voll Blumen aus, den ich meiner
Schweſter vorſtellen und ſie ſelbſt ſollte waͤh¬
len laſſen. So wurde ich zum Laden gleich¬
ſam hinausgetrieben, indem ſie den Kaſten
durch ihr Maͤdchen vorausſchickte.

Kaum war ich zu Hauſe angekommen,
als mein Vater mich berufen ließ und mir
die Eroͤffnung that, es ſey nun ganz gewiß,
daß der Erzherzog Joſeph zum roͤmiſchen
Koͤnig gewaͤhlt und gekroͤnt werden ſolle.
Ein ſo hoͤchſt bedeutendes Ereigniß muͤſſe
man nicht unvorbereitet erwarten, und etwa
nur gaffend und ſtaunend an ſich vorbey gehen
laſſen. Er wolle daher die Wahl- und Kroͤ¬

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[422/0438] ich war aufs aͤußerſte verwirrt, und zugleich liebte ich mein Zaudern, weil es mich in der Naͤhe des Kindes hielt, deſſen Maske mich verdroß, und das mir doch in dieſer Maske reizender vorkam als jemals. Endlich mochte die Putzhaͤndlerinn alle Geduld verlieren, und ſuchte mir eigenhaͤndig einen ganzen Pappen¬ kaſten voll Blumen aus, den ich meiner Schweſter vorſtellen und ſie ſelbſt ſollte waͤh¬ len laſſen. So wurde ich zum Laden gleich¬ ſam hinausgetrieben, indem ſie den Kaſten durch ihr Maͤdchen vorausſchickte. Kaum war ich zu Hauſe angekommen, als mein Vater mich berufen ließ und mir die Eroͤffnung that, es ſey nun ganz gewiß, daß der Erzherzog Joſeph zum roͤmiſchen Koͤnig gewaͤhlt und gekroͤnt werden ſolle. Ein ſo hoͤchſt bedeutendes Ereigniß muͤſſe man nicht unvorbereitet erwarten, und etwa nur gaffend und ſtaunend an ſich vorbey gehen laſſen. Er wolle daher die Wahl- und Kroͤ¬

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 422. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/438>, abgerufen am 25.11.2024.