Ihr mir nicht übel nehmen, wenn ich auch in Euer Handwerk pfusche. Worauf ich ihnen denn vorerzählte, was ich mir aus ihren Be¬ schäftigungen gemerkt hatte, und zu welchen ich mich allenfalls fähig hielt. Ein Jeder hatte vorher sein Verdienst zu Gelde ange¬ schlagen, und ich ersuchte sie, mir auch zu Fertigung meines Etats behülflich zu seyn. Gretchen hatte alles Bisherige sehr aufmerk¬ sam mit angehört, und zwar in der Stellung die sie sehr gut kleidete, sie mochte nun zuhö¬ ren oder sprechen. Sie faßte mit beyden Händen ihre übereinander geschlagenen Arme und legte sie auf den Rand des Tisches. So konnte sie lange sitzen, ohne etwas anders als den Kopf zu bewegen, welches niemals ohne Anlaß oder Bedeutung geschah. Sie hatte manchmal ein Wörtchen mit eingesprochen und über dieses und jenes, wenn wir in un¬ sern Einrichtungen stockten, nachgeholfen; dann war sie aber wieder still und ruhig wie gewöhnlich. Ich ließ sie nicht aus den Augen,
Ihr mir nicht uͤbel nehmen, wenn ich auch in Euer Handwerk pfuſche. Worauf ich ihnen denn vorerzaͤhlte, was ich mir aus ihren Be¬ ſchaͤftigungen gemerkt hatte, und zu welchen ich mich allenfalls faͤhig hielt. Ein Jeder hatte vorher ſein Verdienſt zu Gelde ange¬ ſchlagen, und ich erſuchte ſie, mir auch zu Fertigung meines Etats behuͤlflich zu ſeyn. Gretchen hatte alles Bisherige ſehr aufmerk¬ ſam mit angehoͤrt, und zwar in der Stellung die ſie ſehr gut kleidete, ſie mochte nun zuhoͤ¬ ren oder ſprechen. Sie faßte mit beyden Haͤnden ihre uͤbereinander geſchlagenen Arme und legte ſie auf den Rand des Tiſches. So konnte ſie lange ſitzen, ohne etwas anders als den Kopf zu bewegen, welches niemals ohne Anlaß oder Bedeutung geſchah. Sie hatte manchmal ein Woͤrtchen mit eingeſprochen und uͤber dieſes und jenes, wenn wir in un¬ ſern Einrichtungen ſtockten, nachgeholfen; dann war ſie aber wieder ſtill und ruhig wie gewoͤhnlich. Ich ließ ſie nicht aus den Augen,
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0429"n="413"/>
Ihr mir nicht uͤbel nehmen, wenn ich auch<lb/>
in Euer Handwerk pfuſche. Worauf ich ihnen<lb/>
denn vorerzaͤhlte, was ich mir aus ihren Be¬<lb/>ſchaͤftigungen gemerkt hatte, und zu welchen<lb/>
ich mich allenfalls faͤhig hielt. Ein Jeder<lb/>
hatte vorher ſein Verdienſt zu Gelde ange¬<lb/>ſchlagen, und ich erſuchte ſie, mir auch zu<lb/>
Fertigung meines Etats behuͤlflich zu ſeyn.<lb/>
Gretchen hatte alles Bisherige ſehr aufmerk¬<lb/>ſam mit angehoͤrt, und zwar in der Stellung<lb/>
die ſie ſehr gut kleidete, ſie mochte nun zuhoͤ¬<lb/>
ren oder ſprechen. Sie faßte mit beyden<lb/>
Haͤnden ihre uͤbereinander geſchlagenen Arme<lb/>
und legte ſie auf den Rand des Tiſches. So<lb/>
konnte ſie lange ſitzen, ohne etwas anders als<lb/>
den Kopf zu bewegen, welches niemals ohne<lb/>
Anlaß oder Bedeutung geſchah. Sie hatte<lb/>
manchmal ein Woͤrtchen mit eingeſprochen<lb/>
und uͤber dieſes und jenes, wenn wir in un¬<lb/>ſern Einrichtungen ſtockten, nachgeholfen;<lb/>
dann war ſie aber wieder ſtill und ruhig wie<lb/>
gewoͤhnlich. Ich ließ ſie nicht aus den Augen,<lb/></p></div></body></text></TEI>
[413/0429]
Ihr mir nicht uͤbel nehmen, wenn ich auch
in Euer Handwerk pfuſche. Worauf ich ihnen
denn vorerzaͤhlte, was ich mir aus ihren Be¬
ſchaͤftigungen gemerkt hatte, und zu welchen
ich mich allenfalls faͤhig hielt. Ein Jeder
hatte vorher ſein Verdienſt zu Gelde ange¬
ſchlagen, und ich erſuchte ſie, mir auch zu
Fertigung meines Etats behuͤlflich zu ſeyn.
Gretchen hatte alles Bisherige ſehr aufmerk¬
ſam mit angehoͤrt, und zwar in der Stellung
die ſie ſehr gut kleidete, ſie mochte nun zuhoͤ¬
ren oder ſprechen. Sie faßte mit beyden
Haͤnden ihre uͤbereinander geſchlagenen Arme
und legte ſie auf den Rand des Tiſches. So
konnte ſie lange ſitzen, ohne etwas anders als
den Kopf zu bewegen, welches niemals ohne
Anlaß oder Bedeutung geſchah. Sie hatte
manchmal ein Woͤrtchen mit eingeſprochen
und uͤber dieſes und jenes, wenn wir in un¬
ſern Einrichtungen ſtockten, nachgeholfen;
dann war ſie aber wieder ſtill und ruhig wie
gewoͤhnlich. Ich ließ ſie nicht aus den Augen,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 413. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/429>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.