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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811.

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am Fuße des Blumentopfes eine Kornähre
benascht. Mehr dergleichen unschuldige Na¬
turgegenstände, als Schmetterlinge und Kä¬
fer, wurden herbeygeschafft und dargestellt,
so daß zuletzt, was Nachahmung und Aus¬
führung betraf, ein höchst schätzbares Bild
beysammen war.

Ich wunderte mich daher nicht wenig, als
der gute Mann mir eines Tages, da die
Arbeit bald abgeliefert werden sollte, um¬
ständlich eröffnete, wie ihm das Bild nicht
mehr gefalle, indem es wohl im Einzelnen
ganz gut gerathen, im Ganzen aber nicht
gut componirt sey, weil es so nach und nach
entstanden, und er im Anfange das Versehen
begangen, sich nicht wenigstens einen allge¬
meinen Plan für Licht und Schatten so wie
für Farben zu entwerfen, nach welchem man
die einzelnen Blumen hätte einordnen kön¬
nen. Er ging mit mir das während eines
halben Jahrs vor meinen Augen entstandene

am Fuße des Blumentopfes eine Kornaͤhre
benaſcht. Mehr dergleichen unſchuldige Na¬
turgegenſtaͤnde, als Schmetterlinge und Kaͤ¬
fer, wurden herbeygeſchafft und dargeſtellt,
ſo daß zuletzt, was Nachahmung und Aus¬
fuͤhrung betraf, ein hoͤchſt ſchaͤtzbares Bild
beyſammen war.

Ich wunderte mich daher nicht wenig, als
der gute Mann mir eines Tages, da die
Arbeit bald abgeliefert werden ſollte, um¬
ſtaͤndlich eroͤffnete, wie ihm das Bild nicht
mehr gefalle, indem es wohl im Einzelnen
ganz gut gerathen, im Ganzen aber nicht
gut componirt ſey, weil es ſo nach und nach
entſtanden, und er im Anfange das Verſehen
begangen, ſich nicht wenigſtens einen allge¬
meinen Plan fuͤr Licht und Schatten ſo wie
fuͤr Farben zu entwerfen, nach welchem man
die einzelnen Blumen haͤtte einordnen koͤn¬
nen. Er ging mit mir das waͤhrend eines
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[362/0378] am Fuße des Blumentopfes eine Kornaͤhre benaſcht. Mehr dergleichen unſchuldige Na¬ turgegenſtaͤnde, als Schmetterlinge und Kaͤ¬ fer, wurden herbeygeſchafft und dargeſtellt, ſo daß zuletzt, was Nachahmung und Aus¬ fuͤhrung betraf, ein hoͤchſt ſchaͤtzbares Bild beyſammen war. Ich wunderte mich daher nicht wenig, als der gute Mann mir eines Tages, da die Arbeit bald abgeliefert werden ſollte, um¬ ſtaͤndlich eroͤffnete, wie ihm das Bild nicht mehr gefalle, indem es wohl im Einzelnen ganz gut gerathen, im Ganzen aber nicht gut componirt ſey, weil es ſo nach und nach entſtanden, und er im Anfange das Verſehen begangen, ſich nicht wenigſtens einen allge¬ meinen Plan fuͤr Licht und Schatten ſo wie fuͤr Farben zu entwerfen, nach welchem man die einzelnen Blumen haͤtte einordnen koͤn¬ nen. Er ging mit mir das waͤhrend eines halben Jahrs vor meinen Augen entſtandene

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 362. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/378>, abgerufen am 26.11.2024.