Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811.

Bild:
<< vorherige Seite

peinliche und abschreckende Art geschieht. Die
Ueberzeugung, wie lästig und schädlich dieses
sey, hat in spätern Zeiten die Erziehungs¬
maxime aufgestellt, daß alles der Jugend auf
eine leichte, lustige und bequeme Art beyge¬
bracht werden müsse; woraus denn aber auch
wieder andere Uebel und Nachtheile entsprun¬
gen sind.

Mit der Annäherung des Frühlings ward
es bey uns auch wieder ruhiger, und wenn
ich mir früher das Anschauen der Stadt,
ihrer geistlichen und weltlichen, öffentlichen
und Privat-Gebäude zu verschaffen suchte,
und besonders an dem damals noch vorherr¬
schenden Alterthümlichen das größte Vergnü¬
gen fand; so war ich nachher bemüht, durch
die Lersner'sche Chronik und durch andre
unter meines Vaters Francofurtensien befind¬
liche Bücher und Hefte, die Personen ver¬
gangner Zeiten mir zu vergegenwärtigen; wel¬
ches mir denn auch durch große Aufmerksam¬

peinliche und abſchreckende Art geſchieht. Die
Ueberzeugung, wie laͤſtig und ſchaͤdlich dieſes
ſey, hat in ſpaͤtern Zeiten die Erziehungs¬
maxime aufgeſtellt, daß alles der Jugend auf
eine leichte, luſtige und bequeme Art beyge¬
bracht werden muͤſſe; woraus denn aber auch
wieder andere Uebel und Nachtheile entſprun¬
gen ſind.

Mit der Annaͤherung des Fruͤhlings ward
es bey uns auch wieder ruhiger, und wenn
ich mir fruͤher das Anſchauen der Stadt,
ihrer geiſtlichen und weltlichen, oͤffentlichen
und Privat-Gebaͤude zu verſchaffen ſuchte,
und beſonders an dem damals noch vorherr¬
ſchenden Alterthuͤmlichen das groͤßte Vergnuͤ¬
gen fand; ſo war ich nachher bemuͤht, durch
die Lersner'ſche Chronik und durch andre
unter meines Vaters Francofurtenſien befind¬
liche Buͤcher und Hefte, die Perſonen ver¬
gangner Zeiten mir zu vergegenwaͤrtigen; wel¬
ches mir denn auch durch große Aufmerkſam¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0363" n="347"/>
peinliche und ab&#x017F;chreckende Art ge&#x017F;chieht. Die<lb/>
Ueberzeugung, wie la&#x0364;&#x017F;tig und &#x017F;cha&#x0364;dlich die&#x017F;es<lb/>
&#x017F;ey, hat in &#x017F;pa&#x0364;tern Zeiten die Erziehungs¬<lb/>
maxime aufge&#x017F;tellt, daß alles der Jugend auf<lb/>
eine leichte, lu&#x017F;tige und bequeme Art beyge¬<lb/>
bracht werden mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e; woraus denn aber auch<lb/>
wieder andere Uebel und Nachtheile ent&#x017F;prun¬<lb/>
gen &#x017F;ind.</p><lb/>
        <p>Mit der Anna&#x0364;herung des Fru&#x0364;hlings ward<lb/>
es bey uns auch wieder ruhiger, und wenn<lb/>
ich mir fru&#x0364;her das An&#x017F;chauen der Stadt,<lb/>
ihrer gei&#x017F;tlichen und weltlichen, o&#x0364;ffentlichen<lb/>
und Privat-Geba&#x0364;ude zu ver&#x017F;chaffen &#x017F;uchte,<lb/>
und be&#x017F;onders an dem damals noch vorherr¬<lb/>
&#x017F;chenden Alterthu&#x0364;mlichen das gro&#x0364;ßte Vergnu&#x0364;¬<lb/>
gen fand; &#x017F;o war ich nachher bemu&#x0364;ht, durch<lb/>
die Lersner'&#x017F;che Chronik und durch andre<lb/>
unter meines Vaters Francofurten&#x017F;ien befind¬<lb/>
liche Bu&#x0364;cher und Hefte, die Per&#x017F;onen ver¬<lb/>
gangner Zeiten mir zu vergegenwa&#x0364;rtigen; wel¬<lb/>
ches mir denn auch durch große Aufmerk&#x017F;am¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[347/0363] peinliche und abſchreckende Art geſchieht. Die Ueberzeugung, wie laͤſtig und ſchaͤdlich dieſes ſey, hat in ſpaͤtern Zeiten die Erziehungs¬ maxime aufgeſtellt, daß alles der Jugend auf eine leichte, luſtige und bequeme Art beyge¬ bracht werden muͤſſe; woraus denn aber auch wieder andere Uebel und Nachtheile entſprun¬ gen ſind. Mit der Annaͤherung des Fruͤhlings ward es bey uns auch wieder ruhiger, und wenn ich mir fruͤher das Anſchauen der Stadt, ihrer geiſtlichen und weltlichen, oͤffentlichen und Privat-Gebaͤude zu verſchaffen ſuchte, und beſonders an dem damals noch vorherr¬ ſchenden Alterthuͤmlichen das groͤßte Vergnuͤ¬ gen fand; ſo war ich nachher bemuͤht, durch die Lersner'ſche Chronik und durch andre unter meines Vaters Francofurtenſien befind¬ liche Buͤcher und Hefte, die Perſonen ver¬ gangner Zeiten mir zu vergegenwaͤrtigen; wel¬ ches mir denn auch durch große Aufmerkſam¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/363
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 347. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/363>, abgerufen am 24.06.2024.