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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811.

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Mit dem Reiten ging es mir noch schlim¬
mer. Zufälligerweise schickte man mich im
Herbst auf die Bahn, so daß ich in der küh¬
len und feuchten Jahreszeit meinen Anfang
machte. Die pedantische Behandlung dieser
schönen Kunst war mir höchlich zuwider.
Zum ersten und letzten war immer vom Schlie¬
ßen die Rede, und es konnte einem doch Nie¬
mand sagen, worin denn eigentlich der Schluß
bestehe, worauf doch alles ankommen solle:
denn man fuhr ohne Steigbügel auf dem
Pferde hin und her. Uebrigens schien der
Unterricht nur auf Prellerey und Beschämung
der Scholaren angelegt. Vergaß man die
Kinnkette ein- oder auszuhängen, ließ man
die Gerte fallen oder wohl gar den Hut, jedes
Versäumniß, jedes Unglück mußte mit Geld
gebüßt werden, und man ward noch obenein
ausgelacht. Dieß gab mir den allerschlimm¬
sten Humor, besonders da ich den Uebungs¬
ort selbst ganz unerträglich fand. Der gar¬
stige, große, entweder feuchte oder staubige

Mit dem Reiten ging es mir noch ſchlim¬
mer. Zufaͤlligerweiſe ſchickte man mich im
Herbſt auf die Bahn, ſo daß ich in der kuͤh¬
len und feuchten Jahreszeit meinen Anfang
machte. Die pedantiſche Behandlung dieſer
ſchoͤnen Kunſt war mir hoͤchlich zuwider.
Zum erſten und letzten war immer vom Schlie¬
ßen die Rede, und es konnte einem doch Nie¬
mand ſagen, worin denn eigentlich der Schluß
beſtehe, worauf doch alles ankommen ſolle:
denn man fuhr ohne Steigbuͤgel auf dem
Pferde hin und her. Uebrigens ſchien der
Unterricht nur auf Prellerey und Beſchaͤmung
der Scholaren angelegt. Vergaß man die
Kinnkette ein- oder auszuhaͤngen, ließ man
die Gerte fallen oder wohl gar den Hut, jedes
Verſaͤumniß, jedes Ungluͤck mußte mit Geld
gebuͤßt werden, und man ward noch obenein
ausgelacht. Dieß gab mir den allerſchlimm¬
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[345/0361] Mit dem Reiten ging es mir noch ſchlim¬ mer. Zufaͤlligerweiſe ſchickte man mich im Herbſt auf die Bahn, ſo daß ich in der kuͤh¬ len und feuchten Jahreszeit meinen Anfang machte. Die pedantiſche Behandlung dieſer ſchoͤnen Kunſt war mir hoͤchlich zuwider. Zum erſten und letzten war immer vom Schlie¬ ßen die Rede, und es konnte einem doch Nie¬ mand ſagen, worin denn eigentlich der Schluß beſtehe, worauf doch alles ankommen ſolle: denn man fuhr ohne Steigbuͤgel auf dem Pferde hin und her. Uebrigens ſchien der Unterricht nur auf Prellerey und Beſchaͤmung der Scholaren angelegt. Vergaß man die Kinnkette ein- oder auszuhaͤngen, ließ man die Gerte fallen oder wohl gar den Hut, jedes Verſaͤumniß, jedes Ungluͤck mußte mit Geld gebuͤßt werden, und man ward noch obenein ausgelacht. Dieß gab mir den allerſchlimm¬ ſten Humor, beſonders da ich den Uebungs¬ ort ſelbſt ganz unertraͤglich fand. Der gar¬ ſtige, große, entweder feuchte oder ſtaubige

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 345. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/361>, abgerufen am 28.11.2024.