Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811.

Bild:
<< vorherige Seite

Kinder und junge Leute ansprechen kann.
Indessen ist mir bey aller Unachtsamkeit und
allem Widerwillen doch von jener Vorlesung
soviel geblieben, daß ich in späteren Zeiten
manches daranzuknüpfen im Stande war.

Bey allen diesen fremdartigen Beschäfti¬
gungen und Arbeiten, die so schnell auf ein¬
ander folgten, daß man sich kaum besinnen
konnte, ob sie zulässig und nützlich wären,
verlor mein Vater seinen Hauptzweck nicht
aus den Augen. Er suchte mein Gedächtniß,
meine Gabe etwas zu fassen und zu combini¬
ren, auf juristische Gegenstände zu lenken,
und gab mir daher ein kleines Buch, in Ge¬
stalt eines Catechismus, von Hopp, nach
Form und Inhalt der Institutionen gearbei¬
tet, in die Hände. Ich lernte Fragen und
Antworten bald auswendig, und konnte sogut
den Catecheten als den Catechumenen vorstel¬
len; und wie bey dem damaligen Religions¬
unterricht eine der Hauptübungen war, daß

Kinder und junge Leute anſprechen kann.
Indeſſen iſt mir bey aller Unachtſamkeit und
allem Widerwillen doch von jener Vorleſung
ſoviel geblieben, daß ich in ſpaͤteren Zeiten
manches daranzuknuͤpfen im Stande war.

Bey allen dieſen fremdartigen Beſchaͤfti¬
gungen und Arbeiten, die ſo ſchnell auf ein¬
ander folgten, daß man ſich kaum beſinnen
konnte, ob ſie zulaͤſſig und nuͤtzlich waͤren,
verlor mein Vater ſeinen Hauptzweck nicht
aus den Augen. Er ſuchte mein Gedaͤchtniß,
meine Gabe etwas zu faſſen und zu combini¬
ren, auf juriſtiſche Gegenſtaͤnde zu lenken,
und gab mir daher ein kleines Buch, in Ge¬
ſtalt eines Catechismus, von Hopp, nach
Form und Inhalt der Inſtitutionen gearbei¬
tet, in die Haͤnde. Ich lernte Fragen und
Antworten bald auswendig, und konnte ſogut
den Catecheten als den Catechumenen vorſtel¬
len; und wie bey dem damaligen Religions¬
unterricht eine der Hauptuͤbungen war, daß

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0356" n="340"/>
Kinder und junge Leute an&#x017F;prechen kann.<lb/>
Inde&#x017F;&#x017F;en i&#x017F;t mir bey aller Unacht&#x017F;amkeit und<lb/>
allem Widerwillen doch von jener Vorle&#x017F;ung<lb/>
&#x017F;oviel geblieben, daß ich in &#x017F;pa&#x0364;teren Zeiten<lb/>
manches daranzuknu&#x0364;pfen im Stande war.</p><lb/>
        <p>Bey allen die&#x017F;en fremdartigen Be&#x017F;cha&#x0364;fti¬<lb/>
gungen und Arbeiten, die &#x017F;o &#x017F;chnell auf ein¬<lb/>
ander folgten, daß man &#x017F;ich kaum be&#x017F;innen<lb/>
konnte, ob &#x017F;ie zula&#x0364;&#x017F;&#x017F;ig und nu&#x0364;tzlich wa&#x0364;ren,<lb/>
verlor mein Vater &#x017F;einen Hauptzweck nicht<lb/>
aus den Augen. Er &#x017F;uchte mein Geda&#x0364;chtniß,<lb/>
meine Gabe etwas zu fa&#x017F;&#x017F;en und zu combini¬<lb/>
ren, auf juri&#x017F;ti&#x017F;che Gegen&#x017F;ta&#x0364;nde zu lenken,<lb/>
und gab mir daher ein kleines Buch, in Ge¬<lb/>
&#x017F;talt eines Catechismus, von <hi rendition="#g">Hopp</hi>, nach<lb/>
Form und Inhalt der In&#x017F;titutionen gearbei¬<lb/>
tet, in die Ha&#x0364;nde. Ich lernte Fragen und<lb/>
Antworten bald auswendig, und konnte &#x017F;ogut<lb/>
den Catecheten als den Catechumenen vor&#x017F;tel¬<lb/>
len; und wie bey dem damaligen Religions¬<lb/>
unterricht eine der Hauptu&#x0364;bungen war, daß<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[340/0356] Kinder und junge Leute anſprechen kann. Indeſſen iſt mir bey aller Unachtſamkeit und allem Widerwillen doch von jener Vorleſung ſoviel geblieben, daß ich in ſpaͤteren Zeiten manches daranzuknuͤpfen im Stande war. Bey allen dieſen fremdartigen Beſchaͤfti¬ gungen und Arbeiten, die ſo ſchnell auf ein¬ ander folgten, daß man ſich kaum beſinnen konnte, ob ſie zulaͤſſig und nuͤtzlich waͤren, verlor mein Vater ſeinen Hauptzweck nicht aus den Augen. Er ſuchte mein Gedaͤchtniß, meine Gabe etwas zu faſſen und zu combini¬ ren, auf juriſtiſche Gegenſtaͤnde zu lenken, und gab mir daher ein kleines Buch, in Ge¬ ſtalt eines Catechismus, von Hopp, nach Form und Inhalt der Inſtitutionen gearbei¬ tet, in die Haͤnde. Ich lernte Fragen und Antworten bald auswendig, und konnte ſogut den Catecheten als den Catechumenen vorſtel¬ len; und wie bey dem damaligen Religions¬ unterricht eine der Hauptuͤbungen war, daß

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/356
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 340. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/356>, abgerufen am 28.11.2024.