Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811.

Bild:
<< vorherige Seite

Versuch mislang wie jenes erste Bestreben,
Sie sollten nicht zugleich glücklich und klug,
zahlreich und einig seyn. Die Elohim ver¬
wirrten sie, der Bau unterblieb, die Men¬
schen zerstreuten sich; die Welt war bevöl¬
kert, aber entzweyt.

Unser Blick, unser Antheil bleibt aber
noch immer an diese Gegenden geheftet. End¬
lich geht abermals ein Stammvater von hier
aus, der so glücklich ist, seinen Nachkommen
einen entschiedenen Character aufzuprägen,
und sie dadurch für ewige Zeiten zu einer
großen, und bey allem Glücks- und Orts-
Wechsel zusammenhaltenden Nation zu ver¬
einigen.

Vom Euphrat aus, nicht ohne göttlichen
Fingerzeig, wandert Abraham gegen Westen.
Die Wüste setzt seinem Zug kein entschiedenes
Hinderniß entgegen; er gelangt an den Jor¬
dan, zieht über den Fluß und verbreitet sich

Verſuch mislang wie jenes erſte Beſtreben,
Sie ſollten nicht zugleich gluͤcklich und klug,
zahlreich und einig ſeyn. Die Elohim ver¬
wirrten ſie, der Bau unterblieb, die Men¬
ſchen zerſtreuten ſich; die Welt war bevoͤl¬
kert, aber entzweyt.

Unſer Blick, unſer Antheil bleibt aber
noch immer an dieſe Gegenden geheftet. End¬
lich geht abermals ein Stammvater von hier
aus, der ſo gluͤcklich iſt, ſeinen Nachkommen
einen entſchiedenen Character aufzupraͤgen,
und ſie dadurch fuͤr ewige Zeiten zu einer
großen, und bey allem Gluͤcks- und Orts-
Wechſel zuſammenhaltenden Nation zu ver¬
einigen.

Vom Euphrat aus, nicht ohne goͤttlichen
Fingerzeig, wandert Abraham gegen Weſten.
Die Wuͤſte ſetzt ſeinem Zug kein entſchiedenes
Hinderniß entgegen; er gelangt an den Jor¬
dan, zieht uͤber den Fluß und verbreitet ſich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0319" n="303"/>
Ver&#x017F;uch mislang wie jenes er&#x017F;te Be&#x017F;treben,<lb/>
Sie &#x017F;ollten nicht zugleich glu&#x0364;cklich und klug,<lb/>
zahlreich und einig &#x017F;eyn. Die Elohim ver¬<lb/>
wirrten &#x017F;ie, der Bau unterblieb, die Men¬<lb/>
&#x017F;chen zer&#x017F;treuten &#x017F;ich; die Welt war bevo&#x0364;<lb/>
kert, aber entzweyt.</p><lb/>
        <p>Un&#x017F;er Blick, un&#x017F;er Antheil bleibt aber<lb/>
noch immer an die&#x017F;e Gegenden geheftet. End¬<lb/>
lich geht abermals ein Stammvater von hier<lb/>
aus, der &#x017F;o glu&#x0364;cklich i&#x017F;t, &#x017F;einen Nachkommen<lb/>
einen ent&#x017F;chiedenen Character aufzupra&#x0364;gen,<lb/>
und &#x017F;ie dadurch fu&#x0364;r ewige Zeiten zu einer<lb/>
großen, und bey allem Glu&#x0364;cks- und Orts-<lb/>
Wech&#x017F;el zu&#x017F;ammenhaltenden Nation zu ver¬<lb/>
einigen.</p><lb/>
        <p>Vom Euphrat aus, nicht ohne go&#x0364;ttlichen<lb/>
Fingerzeig, wandert Abraham gegen We&#x017F;ten.<lb/>
Die Wu&#x0364;&#x017F;te &#x017F;etzt &#x017F;einem Zug kein ent&#x017F;chiedenes<lb/>
Hinderniß entgegen; er gelangt an den Jor¬<lb/>
dan, zieht u&#x0364;ber den Fluß und verbreitet &#x017F;ich<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[303/0319] Verſuch mislang wie jenes erſte Beſtreben, Sie ſollten nicht zugleich gluͤcklich und klug, zahlreich und einig ſeyn. Die Elohim ver¬ wirrten ſie, der Bau unterblieb, die Men¬ ſchen zerſtreuten ſich; die Welt war bevoͤl¬ kert, aber entzweyt. Unſer Blick, unſer Antheil bleibt aber noch immer an dieſe Gegenden geheftet. End¬ lich geht abermals ein Stammvater von hier aus, der ſo gluͤcklich iſt, ſeinen Nachkommen einen entſchiedenen Character aufzupraͤgen, und ſie dadurch fuͤr ewige Zeiten zu einer großen, und bey allem Gluͤcks- und Orts- Wechſel zuſammenhaltenden Nation zu ver¬ einigen. Vom Euphrat aus, nicht ohne goͤttlichen Fingerzeig, wandert Abraham gegen Weſten. Die Wuͤſte ſetzt ſeinem Zug kein entſchiedenes Hinderniß entgegen; er gelangt an den Jor¬ dan, zieht uͤber den Fluß und verbreitet ſich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/319
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 303. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/319>, abgerufen am 01.09.2024.