Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811.

Bild:
<< vorherige Seite

Diese Gefangenen waren jedoch Anzei¬
chen einer für die Alliirten unglücklichen
Schlacht. Mein Vater, in seiner Parteylich¬
keit ganz sicher, daß diese gewinnen würden,
hatte die leidenschaftliche Verwegenheit den
gehofften Siegern entgegen zu gehen, ohne
zu bedenken, daß die geschlagene Partey erst
über ihn wegfliehen müßte. Erst begab er
sich in seinen Garten, vor dem Friedberger
Thore, wo er alles einsam und ruhig fand;
dann wagte er sich auf die Bornheimer
Haide, wo er aber bald verschiedene zer¬
streute Nachzügler und Troßknechte ansichtig
ward, die sich den Spaß machten nach den
Gränzsteinen zu schießen, so daß dem neu¬
gierigen Wandrer das abprallende Bley um
den Kopf sauste. Er hielt es deshalb doch
für gerathner zurückzugehen, und erfuhr, bey
einiger Nachfrage, was ihm schon der Schall
des Feurens hätte klar machen sollen, daß
alles für die Franzosen gut stehe und an
kein Weichen zu denken sey. Nach Hause

Dieſe Gefangenen waren jedoch Anzei¬
chen einer fuͤr die Alliirten ungluͤcklichen
Schlacht. Mein Vater, in ſeiner Parteylich¬
keit ganz ſicher, daß dieſe gewinnen wuͤrden,
hatte die leidenſchaftliche Verwegenheit den
gehofften Siegern entgegen zu gehen, ohne
zu bedenken, daß die geſchlagene Partey erſt
uͤber ihn wegfliehen muͤßte. Erſt begab er
ſich in ſeinen Garten, vor dem Friedberger
Thore, wo er alles einſam und ruhig fand;
dann wagte er ſich auf die Bornheimer
Haide, wo er aber bald verſchiedene zer¬
ſtreute Nachzuͤgler und Troßknechte anſichtig
ward, die ſich den Spaß machten nach den
Graͤnzſteinen zu ſchießen, ſo daß dem neu¬
gierigen Wandrer das abprallende Bley um
den Kopf ſauſte. Er hielt es deshalb doch
fuͤr gerathner zuruͤckzugehen, und erfuhr, bey
einiger Nachfrage, was ihm ſchon der Schall
des Feurens haͤtte klar machen ſollen, daß
alles fuͤr die Franzoſen gut ſtehe und an
kein Weichen zu denken ſey. Nach Hauſe

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0240" n="224"/>
        <p>Die&#x017F;e Gefangenen waren jedoch Anzei¬<lb/>
chen einer fu&#x0364;r die Alliirten unglu&#x0364;cklichen<lb/>
Schlacht. Mein Vater, in &#x017F;einer Parteylich¬<lb/>
keit ganz &#x017F;icher, daß die&#x017F;e gewinnen wu&#x0364;rden,<lb/>
hatte die leiden&#x017F;chaftliche Verwegenheit den<lb/>
gehofften Siegern entgegen zu gehen, ohne<lb/>
zu bedenken, daß die ge&#x017F;chlagene Partey er&#x017F;t<lb/>
u&#x0364;ber ihn wegfliehen mu&#x0364;ßte. Er&#x017F;t begab er<lb/>
&#x017F;ich in &#x017F;einen Garten, vor dem Friedberger<lb/>
Thore, wo er alles ein&#x017F;am und ruhig fand;<lb/>
dann wagte er &#x017F;ich auf die Bornheimer<lb/>
Haide, wo er aber bald ver&#x017F;chiedene zer¬<lb/>
&#x017F;treute Nachzu&#x0364;gler und Troßknechte an&#x017F;ichtig<lb/>
ward, die &#x017F;ich den Spaß machten nach den<lb/>
Gra&#x0364;nz&#x017F;teinen zu &#x017F;chießen, &#x017F;o daß dem neu¬<lb/>
gierigen Wandrer das abprallende Bley um<lb/>
den Kopf &#x017F;au&#x017F;te. Er hielt es deshalb doch<lb/>
fu&#x0364;r gerathner zuru&#x0364;ckzugehen, und erfuhr, bey<lb/>
einiger Nachfrage, was ihm &#x017F;chon der Schall<lb/>
des Feurens ha&#x0364;tte klar machen &#x017F;ollen, daß<lb/>
alles fu&#x0364;r die Franzo&#x017F;en gut &#x017F;tehe und an<lb/>
kein Weichen zu denken &#x017F;ey. Nach Hau&#x017F;e<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[224/0240] Dieſe Gefangenen waren jedoch Anzei¬ chen einer fuͤr die Alliirten ungluͤcklichen Schlacht. Mein Vater, in ſeiner Parteylich¬ keit ganz ſicher, daß dieſe gewinnen wuͤrden, hatte die leidenſchaftliche Verwegenheit den gehofften Siegern entgegen zu gehen, ohne zu bedenken, daß die geſchlagene Partey erſt uͤber ihn wegfliehen muͤßte. Erſt begab er ſich in ſeinen Garten, vor dem Friedberger Thore, wo er alles einſam und ruhig fand; dann wagte er ſich auf die Bornheimer Haide, wo er aber bald verſchiedene zer¬ ſtreute Nachzuͤgler und Troßknechte anſichtig ward, die ſich den Spaß machten nach den Graͤnzſteinen zu ſchießen, ſo daß dem neu¬ gierigen Wandrer das abprallende Bley um den Kopf ſauſte. Er hielt es deshalb doch fuͤr gerathner zuruͤckzugehen, und erfuhr, bey einiger Nachfrage, was ihm ſchon der Schall des Feurens haͤtte klar machen ſollen, daß alles fuͤr die Franzoſen gut ſtehe und an kein Weichen zu denken ſey. Nach Hauſe

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/240
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/240>, abgerufen am 09.11.2024.