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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811.

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Pocal von geschliffnem Crystall mit schäumen¬
dem Wein: doch zu trinken bedurfte ich
nicht; denn ich hatte mich an den Früchten
hinreichend gelabt. -- "Nun wollen wir
spielen," sagte sie und führte mich in das an¬
dere Zimmer. Hier sah es nun aus wie
auf einem Christmarkt; aber so kostbare und
feine Sachen hat man niemals in einer
Weihnachtsbude gesehen. Da waren alle
Arten von Puppen, Puppenkleidern und Pup¬
pengeräthschaften; Küchen, Wochenstuben und
Läden; und einzelne Spielsachen in Unzahl.
Sie führte mich an allen Glasschränken
herum: denn in solchen waren diese künstlichen
Arbeiten aufbewahrt. Die ersten Schränke
verschloß sie aber bald wieder und sagte:
"Das ist nichts für Euch, ich weiß es wohl.
Hier aber, sagte sie, könnten wir Baumate¬
rialien finden, Mauern und Thürme, Häu¬
ser, Palläste, Kirchen, um eine große Stadt
zusammenzustellen. Das unterhält mich aber
nicht; wir wollen zu etwas anderem greifen,

Pocal von geſchliffnem Cryſtall mit ſchaͤumen¬
dem Wein: doch zu trinken bedurfte ich
nicht; denn ich hatte mich an den Fruͤchten
hinreichend gelabt. — „Nun wollen wir
ſpielen,“ ſagte ſie und fuͤhrte mich in das an¬
dere Zimmer. Hier ſah es nun aus wie
auf einem Chriſtmarkt; aber ſo koſtbare und
feine Sachen hat man niemals in einer
Weihnachtsbude geſehen. Da waren alle
Arten von Puppen, Puppenkleidern und Pup¬
pengeraͤthſchaften; Kuͤchen, Wochenſtuben und
Laͤden; und einzelne Spielſachen in Unzahl.
Sie fuͤhrte mich an allen Glasſchraͤnken
herum: denn in ſolchen waren dieſe kuͤnſtlichen
Arbeiten aufbewahrt. Die erſten Schraͤnke
verſchloß ſie aber bald wieder und ſagte:
„Das iſt nichts fuͤr Euch, ich weiß es wohl.
Hier aber, ſagte ſie, koͤnnten wir Baumate¬
rialien finden, Mauern und Thuͤrme, Haͤu¬
ſer, Pallaͤſte, Kirchen, um eine große Stadt
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nicht; wir wollen zu etwas anderem greifen,

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[126/0142] Pocal von geſchliffnem Cryſtall mit ſchaͤumen¬ dem Wein: doch zu trinken bedurfte ich nicht; denn ich hatte mich an den Fruͤchten hinreichend gelabt. — „Nun wollen wir ſpielen,“ ſagte ſie und fuͤhrte mich in das an¬ dere Zimmer. Hier ſah es nun aus wie auf einem Chriſtmarkt; aber ſo koſtbare und feine Sachen hat man niemals in einer Weihnachtsbude geſehen. Da waren alle Arten von Puppen, Puppenkleidern und Pup¬ pengeraͤthſchaften; Kuͤchen, Wochenſtuben und Laͤden; und einzelne Spielſachen in Unzahl. Sie fuͤhrte mich an allen Glasſchraͤnken herum: denn in ſolchen waren dieſe kuͤnſtlichen Arbeiten aufbewahrt. Die erſten Schraͤnke verſchloß ſie aber bald wieder und ſagte: „Das iſt nichts fuͤr Euch, ich weiß es wohl. Hier aber, ſagte ſie, koͤnnten wir Baumate¬ rialien finden, Mauern und Thuͤrme, Haͤu¬ ſer, Pallaͤſte, Kirchen, um eine große Stadt zuſammenzuſtellen. Das unterhaͤlt mich aber nicht; wir wollen zu etwas anderem greifen,

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/142>, abgerufen am 17.05.2024.