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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811.

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einzuschließen scheint? -- "Recht gern, ver¬
setzte jener; aber sodann müßt Ihr Euch
einigen Bedingungen unterwerfen." -- Wor¬
in bestehen sie? fragte ich hastig. -- "Ihr
müßt Euren Hut und Degen hier zurück¬
lassen, und dürft mir nicht von der Hand,
indem ich Euch begleite." -- Herzlich gern!
erwiederte ich, und legte Hut und Degen auf
die erste beste steinerne Bank. Sogleich
ergriff er mit seiner Rechten meine Linke,
hielt sie fest, und führte mich mit einiger
Gewalt gerade vorwärts. Als wir ans Git¬
ter kamen, verwandelte sich meine Verwunde¬
rung in Erstaunen: so etwas hatte ich nie
gesehen. Auf einem hohen Sockel von Mar¬
mor standen unzählige Spieße und Partisa¬
nen neben einander gereiht, die durch ihre
seltsam verzierten oberen Enden zusammenhin¬
gen und einen ganzen Kreis bildeten. Ich
schaute durch die Zwischenräume, und sah gleich
dahinter ein sanft fließendes Wasser, auf
beyden Seiten mit Marmor eingefaßt, das

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einzuſchließen ſcheint? — „Recht gern, ver¬
ſetzte jener; aber ſodann muͤßt Ihr Euch
einigen Bedingungen unterwerfen.“ — Wor¬
in beſtehen ſie? fragte ich haſtig. — „Ihr
muͤßt Euren Hut und Degen hier zuruͤck¬
laſſen, und duͤrft mir nicht von der Hand,
indem ich Euch begleite.“ — Herzlich gern!
erwiederte ich, und legte Hut und Degen auf
die erſte beſte ſteinerne Bank. Sogleich
ergriff er mit ſeiner Rechten meine Linke,
hielt ſie feſt, und fuͤhrte mich mit einiger
Gewalt gerade vorwaͤrts. Als wir ans Git¬
ter kamen, verwandelte ſich meine Verwunde¬
rung in Erſtaunen: ſo etwas hatte ich nie
geſehen. Auf einem hohen Sockel von Mar¬
mor ſtanden unzaͤhlige Spieße und Partiſa¬
nen neben einander gereiht, die durch ihre
ſeltſam verzierten oberen Enden zuſammenhin¬
gen und einen ganzen Kreis bildeten. Ich
ſchaute durch die Zwiſchenraͤume, und ſah gleich
dahinter ein ſanft fließendes Waſſer, auf
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[115/0131] einzuſchließen ſcheint? — „Recht gern, ver¬ ſetzte jener; aber ſodann muͤßt Ihr Euch einigen Bedingungen unterwerfen.“ — Wor¬ in beſtehen ſie? fragte ich haſtig. — „Ihr muͤßt Euren Hut und Degen hier zuruͤck¬ laſſen, und duͤrft mir nicht von der Hand, indem ich Euch begleite.“ — Herzlich gern! erwiederte ich, und legte Hut und Degen auf die erſte beſte ſteinerne Bank. Sogleich ergriff er mit ſeiner Rechten meine Linke, hielt ſie feſt, und fuͤhrte mich mit einiger Gewalt gerade vorwaͤrts. Als wir ans Git¬ ter kamen, verwandelte ſich meine Verwunde¬ rung in Erſtaunen: ſo etwas hatte ich nie geſehen. Auf einem hohen Sockel von Mar¬ mor ſtanden unzaͤhlige Spieße und Partiſa¬ nen neben einander gereiht, die durch ihre ſeltſam verzierten oberen Enden zuſammenhin¬ gen und einen ganzen Kreis bildeten. Ich ſchaute durch die Zwiſchenraͤume, und ſah gleich dahinter ein ſanft fließendes Waſſer, auf beyden Seiten mit Marmor eingefaßt, das 8 *

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/131>, abgerufen am 17.05.2024.