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Goethe, Johann Wolfgang von: Iphigenie auf Tauris. Leipzig, 1787.

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Ein Schauspiel.
Iphigenie.
O höre mich! O sieh mich an, wie mir
Nach einer langen Zeit das Herz sich öffnet,
Der Seligkeit, dem Liebsten, was die Welt
Noch für mich tragen kann, das Haupt zu küssen,
Mit meinen Armen, die den leeren Winden
Nur ausgebreitet waren, dich zu fassen.
O laß mich! Laß mich! Denn es quillet heller
Nicht vom Parnaß die ew'ge Quelle sprudelnd
Von Fels zu Fels in's gold'ne Thal hinab,
Wie Freude mir vom Herzen wallend fließt,
Und wie ein selig Meer mich rings umfängt.
Orest! Orest! Mein Bruder!
Orest.
Schöne Nymphe,
Ich traue dir und deinem Schmeicheln nicht.
Diana fordert strenge Dienerinnen
Und rächet das entweih'te Heiligthum.
Entferne deinen Arm von meiner Brust!
Und wenn du einen Jüngling rettend lieben,
Das schöne Glück ihm zärtlich biethen willst;
So wende meinem Freunde dein Gemüth,
Ein Schauſpiel.
Iphigenie.
O höre mich! O ſieh mich an, wie mir
Nach einer langen Zeit das Herz ſich öffnet,
Der Seligkeit, dem Liebſten, was die Welt
Noch für mich tragen kann, das Haupt zu küſſen,
Mit meinen Armen, die den leeren Winden
Nur ausgebreitet waren, dich zu faſſen.
O laß mich! Laß mich! Denn es quillet heller
Nicht vom Parnaß die ew’ge Quelle ſprudelnd
Von Fels zu Fels in’s gold’ne Thal hinab,
Wie Freude mir vom Herzen wallend fließt,
Und wie ein ſelig Meer mich rings umfängt.
Oreſt! Oreſt! Mein Bruder!
Oreſt.
Schöne Nymphe,
Ich traue dir und deinem Schmeicheln nicht.
Diana fordert ſtrenge Dienerinnen
Und rächet das entweih’te Heiligthum.
Entferne deinen Arm von meiner Bruſt!
Und wenn du einen Jüngling rettend lieben,
Das ſchöne Glück ihm zärtlich biethen willſt;
So wende meinem Freunde dein Gemüth,
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[73/0082] Ein Schauſpiel. Iphigenie. O höre mich! O ſieh mich an, wie mir Nach einer langen Zeit das Herz ſich öffnet, Der Seligkeit, dem Liebſten, was die Welt Noch für mich tragen kann, das Haupt zu küſſen, Mit meinen Armen, die den leeren Winden Nur ausgebreitet waren, dich zu faſſen. O laß mich! Laß mich! Denn es quillet heller Nicht vom Parnaß die ew’ge Quelle ſprudelnd Von Fels zu Fels in’s gold’ne Thal hinab, Wie Freude mir vom Herzen wallend fließt, Und wie ein ſelig Meer mich rings umfängt. Oreſt! Oreſt! Mein Bruder! Oreſt. Schöne Nymphe, Ich traue dir und deinem Schmeicheln nicht. Diana fordert ſtrenge Dienerinnen Und rächet das entweih’te Heiligthum. Entferne deinen Arm von meiner Bruſt! Und wenn du einen Jüngling rettend lieben, Das ſchöne Glück ihm zärtlich biethen willſt; So wende meinem Freunde dein Gemüth,

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Iphigenie auf Tauris. Leipzig, 1787, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_iphigenie_1787/82>, abgerufen am 03.05.2024.