Goethe, Johann Wolfgang von: Iphigenie auf Tauris. Leipzig, 1787.Iphigenie auf Tauris Orest. Die Eine kannt' ich; doch die ältste nahm Ihr gut Geschick, das uns so schrecklich schien, Bey Zeiten aus dem Elend unsers Hauses. O laß dein Fragen, und geselle dich Nicht auch zu den Erinnyen; sie blasen Mir schadenfroh die Asche von der Seele, Und leiden nicht, daß sich die letzten Kohlen Von unsers Hauses Schreckensbrande still In mir verglimmen. Soll die Gluth denn ewig, Vorsetzlich angefacht, mit Höllenschwefel Genährt, mir auf der Seele marternd brennen? Iphigenie. Ich bringe süßes Räuchwerk in die Flamme. O laß den reinen Hauch der Liebe dir Die Gluth des Busens leise wehend kühlen. Orest, mein Theurer, kannst du nicht ver- nehmen? Hat das Geleit der Schreckensgötter so Das Blut in deinen Adern aufgetrocknet? Schleicht, wie vom Haupt der gräßlichen Gor- gone, Iphigenie auf Tauris Oreſt. Die Eine kannt’ ich; doch die ältſte nahm Ihr gut Geſchick, das uns ſo ſchrecklich ſchien, Bey Zeiten aus dem Elend unſers Hauſes. O laß dein Fragen, und geſelle dich Nicht auch zu den Erinnyen; ſie blaſen Mir ſchadenfroh die Aſche von der Seele, Und leiden nicht, daß ſich die letzten Kohlen Von unſers Hauſes Schreckensbrande ſtill In mir verglimmen. Soll die Gluth denn ewig, Vorſetzlich angefacht, mit Höllenſchwefel Genährt, mir auf der Seele marternd brennen? Iphigenie. Ich bringe ſüßes Räuchwerk in die Flamme. O laß den reinen Hauch der Liebe dir Die Gluth des Buſens leiſe wehend kühlen. Oreſt, mein Theurer, kannſt du nicht ver- nehmen? Hat das Geleit der Schreckensgötter ſo Das Blut in deinen Adern aufgetrocknet? Schleicht, wie vom Haupt der gräßlichen Gor- gone, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0079" n="70"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#g">Iphigenie auf Tauris</hi> </fw><lb/> <sp who="#ORE"> <speaker> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#g">Oreſt.</hi> </hi> </speaker><lb/> <p>Die Eine kannt’ ich; doch die ältſte nahm<lb/> Ihr gut Geſchick, das uns ſo ſchrecklich ſchien,<lb/> Bey Zeiten aus dem Elend unſers Hauſes.<lb/> O laß dein Fragen, und geſelle dich<lb/> Nicht auch zu den Erinnyen; ſie blaſen<lb/> Mir ſchadenfroh die Aſche von der Seele,<lb/> Und leiden nicht, daß ſich die letzten Kohlen<lb/> Von unſers Hauſes Schreckensbrande ſtill<lb/> In mir verglimmen. Soll die Gluth denn ewig,<lb/> Vorſetzlich angefacht, mit Höllenſchwefel<lb/> Genährt, mir auf der Seele marternd brennen?</p> </sp><lb/> <sp who="#IPH"> <speaker> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#g">Iphigenie.</hi> </hi> </speaker><lb/> <p>Ich bringe ſüßes Räuchwerk in die Flamme.<lb/> O laß den reinen Hauch der Liebe dir<lb/> Die Gluth des Buſens leiſe wehend kühlen.<lb/> Oreſt, mein Theurer, kannſt du nicht ver-<lb/> nehmen?<lb/> Hat das Geleit der Schreckensgötter ſo<lb/> Das Blut in deinen Adern aufgetrocknet?<lb/> Schleicht, wie vom Haupt der gräßlichen Gor-<lb/> gone,<lb/></p> </sp> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [70/0079]
Iphigenie auf Tauris
Oreſt.
Die Eine kannt’ ich; doch die ältſte nahm
Ihr gut Geſchick, das uns ſo ſchrecklich ſchien,
Bey Zeiten aus dem Elend unſers Hauſes.
O laß dein Fragen, und geſelle dich
Nicht auch zu den Erinnyen; ſie blaſen
Mir ſchadenfroh die Aſche von der Seele,
Und leiden nicht, daß ſich die letzten Kohlen
Von unſers Hauſes Schreckensbrande ſtill
In mir verglimmen. Soll die Gluth denn ewig,
Vorſetzlich angefacht, mit Höllenſchwefel
Genährt, mir auf der Seele marternd brennen?
Iphigenie.
Ich bringe ſüßes Räuchwerk in die Flamme.
O laß den reinen Hauch der Liebe dir
Die Gluth des Buſens leiſe wehend kühlen.
Oreſt, mein Theurer, kannſt du nicht ver-
nehmen?
Hat das Geleit der Schreckensgötter ſo
Das Blut in deinen Adern aufgetrocknet?
Schleicht, wie vom Haupt der gräßlichen Gor-
gone,
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