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Goethe, Johann Wolfgang von: Iphigenie auf Tauris. Leipzig, 1787.

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Iphigenie auf Tauris
Iphigenie.
Ich habe, theurer Mann; doch wirst du schel-
ten.
Ein schweigender Verweis war mir dein An-
blick!
Des Königs Bothe kam, und wie du es
Mir in den Mund gelegt, so sagt' ich's ihm.
Er schien zu staunen, und verlangte dringend
Die seltne Feier erst dem Könige
Zu melden, seinen Willen zu vernehmen;
Und nun erwart' ich seine Wiederkehr.
Pylades.
Weh' uns! Erneuert schwebt nun die Gefahr
Um unsre Schläfe! Warum hast du nicht
In's Priesterrecht dich weislich eingehüllt?
Iphigenie.
Als eine Hülle hab' ich's nie gebraucht.
Pylades.
So wirst du, reine Seele, dich und uns
Zu Grunde richten. Warum dacht' ich nicht
Auf diesen Fall voraus, und lehrte dich
Auch dieser Ford'rung auszuweichen!
Iphigenie auf Tauris
Iphigenie.
Ich habe, theurer Mann; doch wirſt du ſchel-
ten.
Ein ſchweigender Verweis war mir dein An-
blick!
Des Königs Bothe kam, und wie du es
Mir in den Mund gelegt, ſo ſagt’ ich’s ihm.
Er ſchien zu ſtaunen, und verlangte dringend
Die ſeltne Feier erſt dem Könige
Zu melden, ſeinen Willen zu vernehmen;
Und nun erwart’ ich ſeine Wiederkehr.
Pylades.
Weh’ uns! Erneuert ſchwebt nun die Gefahr
Um unſre Schläfe! Warum haſt du nicht
In’s Prieſterrecht dich weislich eingehüllt?
Iphigenie.
Als eine Hülle hab’ ich’s nie gebraucht.
Pylades.
So wirſt du, reine Seele, dich und uns
Zu Grunde richten. Warum dacht’ ich nicht
Auf dieſen Fall voraus, und lehrte dich
Auch dieſer Ford’rung auszuweichen!
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[96/0105] Iphigenie auf Tauris Iphigenie. Ich habe, theurer Mann; doch wirſt du ſchel- ten. Ein ſchweigender Verweis war mir dein An- blick! Des Königs Bothe kam, und wie du es Mir in den Mund gelegt, ſo ſagt’ ich’s ihm. Er ſchien zu ſtaunen, und verlangte dringend Die ſeltne Feier erſt dem Könige Zu melden, ſeinen Willen zu vernehmen; Und nun erwart’ ich ſeine Wiederkehr. Pylades. Weh’ uns! Erneuert ſchwebt nun die Gefahr Um unſre Schläfe! Warum haſt du nicht In’s Prieſterrecht dich weislich eingehüllt? Iphigenie. Als eine Hülle hab’ ich’s nie gebraucht. Pylades. So wirſt du, reine Seele, dich und uns Zu Grunde richten. Warum dacht’ ich nicht Auf dieſen Fall voraus, und lehrte dich Auch dieſer Ford’rung auszuweichen!

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Iphigenie auf Tauris. Leipzig, 1787, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_iphigenie_1787/105>, abgerufen am 21.05.2024.