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Goethe, Johann Wolfgang von: Götz von Berlichingen mit der eisernen Hand. [s. l.], 1773.

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hören, als von Laufern, Springern, und andern
Bestien das Ewige: Schach dem König!
Bischoff. Wem wird auch das einfallen!
Liebetraut. Einem zum Exempel, der schwach
wäre und ein stark Gewissen hätte, wie denn das
meistentheils beysammen ist. Sie nennens ein kö-
niglich Spiel, und sagen, es sey für einen König
erfunden worden, der den Erfinder mit einem Meer
von Ueberfluß belohnte. Wenn's wahr ist, so ist
mirs als wenn ich ihn sähe. Er war minorenn an
Verstand oder an Jahren, unter der Vormund-
schaft seiner Mutter oder seiner Frau, hatte Milch-
haare im Bart und Flachshaare um die Schläfe,
er war so gefällig wie ein Weidenschößling, und
spielte gern mit den Damen und auf der Dame,
nicht aus Leidenschaft, behüte Gott, nur zum Zeit-
vertreib. Sein Hofmeister zu tähtig ein Gelehrter,
zu unlenksam ein Weltmann zu seyn, erfand das
Spiel in usum Delphini, das so homogen mit seiner
Majestät war -- und so ferner.
Adelheid. Schach dem König, und nun ist's
aus! Jhr solltet die Lücken unsrer Geschichtsbü-
cher ausfüllen Liebetraut.

Liebe-
E


hoͤren, als von Laufern, Springern, und andern
Beſtien das Ewige: Schach dem Koͤnig!
Biſchoff. Wem wird auch das einfallen!
Liebetraut. Einem zum Exempel, der ſchwach
waͤre und ein ſtark Gewiſſen haͤtte, wie denn das
meiſtentheils beyſammen iſt. Sie nennens ein koͤ-
niglich Spiel, und ſagen, es ſey fuͤr einen Koͤnig
erfunden worden, der den Erfinder mit einem Meer
von Ueberfluß belohnte. Wenn’s wahr iſt, ſo iſt
mirs als wenn ich ihn ſaͤhe. Er war minorenn an
Verſtand oder an Jahren, unter der Vormund-
ſchaft ſeiner Mutter oder ſeiner Frau, hatte Milch-
haare im Bart und Flachshaare um die Schlaͤfe,
er war ſo gefaͤllig wie ein Weidenſchoͤßling, und
ſpielte gern mit den Damen und auf der Dame,
nicht aus Leidenſchaft, behuͤte Gott, nur zum Zeit-
vertreib. Sein Hofmeiſter zu taͤhtig ein Gelehrter,
zu unlenkſam ein Weltmann zu ſeyn, erfand das
Spiel in uſum Delphini, das ſo homogen mit ſeiner
Majeſtaͤt war — und ſo ferner.
Adelheid. Schach dem Koͤnig, und nun iſt’s
aus! Jhr ſolltet die Luͤcken unſrer Geſchichtsbuͤ-
cher ausfuͤllen Liebetraut.

Liebe-
E
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[65/0069] hoͤren, als von Laufern, Springern, und andern Beſtien das Ewige: Schach dem Koͤnig! Biſchoff. Wem wird auch das einfallen! Liebetraut. Einem zum Exempel, der ſchwach waͤre und ein ſtark Gewiſſen haͤtte, wie denn das meiſtentheils beyſammen iſt. Sie nennens ein koͤ- niglich Spiel, und ſagen, es ſey fuͤr einen Koͤnig erfunden worden, der den Erfinder mit einem Meer von Ueberfluß belohnte. Wenn’s wahr iſt, ſo iſt mirs als wenn ich ihn ſaͤhe. Er war minorenn an Verſtand oder an Jahren, unter der Vormund- ſchaft ſeiner Mutter oder ſeiner Frau, hatte Milch- haare im Bart und Flachshaare um die Schlaͤfe, er war ſo gefaͤllig wie ein Weidenſchoͤßling, und ſpielte gern mit den Damen und auf der Dame, nicht aus Leidenſchaft, behuͤte Gott, nur zum Zeit- vertreib. Sein Hofmeiſter zu taͤhtig ein Gelehrter, zu unlenkſam ein Weltmann zu ſeyn, erfand das Spiel in uſum Delphini, das ſo homogen mit ſeiner Majeſtaͤt war — und ſo ferner. Adelheid. Schach dem Koͤnig, und nun iſt’s aus! Jhr ſolltet die Luͤcken unſrer Geſchichtsbuͤ- cher ausfuͤllen Liebetraut. Liebe- E

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Götz von Berlichingen mit der eisernen Hand. [s. l.], 1773, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_goetz_1773/69>, abgerufen am 04.05.2024.