Goethe, Johann Wolfgang von: Faust. Der Tragödie zweiter Teil. Stuttgart, 1832.
Er wandle so den Erdentag entlang; Wenn Geister spuken geh' er seinen Gang; Im Weiterschreiten find' er Qual und Glück, Er! unbefriedigt jeden Augenblick. Sorge. Wen ich einmal mir besitze Dem ist alle Welt nichts nütze, Ewiges Düstre steigt herunter, Sonne geht nicht auf noch unter, Bei vollkommnen äußern Sinnen Wohnen Finsternisse drinnen. Und er weiß von allen Schätzen Sich nicht in Besitz zu setzen. Glück und Unglück wird zur Grille, Er verhungert in der Fülle, Sey es Wonne, sey es Plage, Schiebt er's zu dem andern Tage, Ist der Zukunft nur gewärtig, Und so wird er niemals fertig. Faust. Hör' auf! so kommst du mir nicht bei! Ich mag nicht solchen Unsinn hören. Fahr' hin! die schlechte Litaney Sie könnte selbst den klügsten Mann bethören. Sorge. Soll er gehen? soll er kommen? Der Entschluß ist ihm genommen; Auf gebahnten Weges Mitte Wankt er tastend halbe Schritte.
Er wandle so den Erdentag entlang; Wenn Geister spuken geh’ er seinen Gang; Im Weiterschreiten find’ er Qual und Glück, Er! unbefriedigt jeden Augenblick. Sorge. Wen ich einmal mir besitze Dem ist alle Welt nichts nütze, Ewiges Düstre steigt herunter, Sonne geht nicht auf noch unter, Bei vollkommnen äußern Sinnen Wohnen Finsternisse drinnen. Und er weiß von allen Schätzen Sich nicht in Besitz zu setzen. Glück und Unglück wird zur Grille, Er verhungert in der Fülle, Sey es Wonne, sey es Plage, Schiebt er’s zu dem andern Tage, Ist der Zukunft nur gewärtig, Und so wird er niemals fertig. Faust. Hör’ auf! so kommst du mir nicht bei! Ich mag nicht solchen Unsinn hören. Fahr’ hin! die schlechte Litaney Sie könnte selbst den klügsten Mann bethören. Sorge. Soll er gehen? soll er kommen? Der Entschluß ist ihm genommen; Auf gebahnten Weges Mitte Wankt er tastend halbe Schritte. <TEI> <text> <body> <div type="act" n="1"> <div type="scene" n="2"> <sp> <p><pb facs="#f0328" n="316"/> Er wandle so den Erdentag entlang;<lb/> Wenn Geister spuken geh’ er seinen Gang;<lb/> Im Weiterschreiten find’ er Qual und Glück,<lb/> Er! unbefriedigt jeden Augenblick.<lb/></p> </sp> <sp> <speaker> <hi rendition="#g">Sorge.</hi> </speaker><lb/> <lg type="poem"> <l rendition="#et">Wen ich einmal mir besitze</l><lb/> <l rendition="#et">Dem ist alle Welt nichts nütze,</l><lb/> <l rendition="#et">Ewiges Düstre steigt herunter,</l><lb/> <l rendition="#et">Sonne geht nicht auf noch unter,</l><lb/> <l rendition="#et">Bei vollkommnen äußern Sinnen</l><lb/> <l rendition="#et">Wohnen Finsternisse drinnen.</l><lb/> <l rendition="#et">Und er weiß von allen Schätzen</l><lb/> <l rendition="#et">Sich nicht in Besitz zu setzen.</l><lb/> <l rendition="#et">Glück und Unglück wird zur Grille,</l><lb/> <l rendition="#et">Er verhungert in der Fülle,</l><lb/> <l rendition="#et">Sey es Wonne, sey es Plage,</l><lb/> <l rendition="#et">Schiebt er’s zu dem andern Tage,</l><lb/> <l rendition="#et">Ist der Zukunft nur gewärtig,</l><lb/> <l rendition="#et">Und so wird er niemals fertig.</l><lb/> </lg> </sp> <sp> <speaker> <hi rendition="#g">Faust.</hi> </speaker><lb/> <p>Hör’ auf! so kommst du mir nicht bei!<lb/> Ich mag nicht solchen Unsinn hören.<lb/> Fahr’ hin! die schlechte Litaney<lb/> Sie könnte selbst den klügsten Mann bethören.<lb/></p> </sp> <sp> <speaker> <hi rendition="#g">Sorge.</hi> </speaker><lb/> <lg type="poem"> <l rendition="#et">Soll er gehen? soll er kommen?</l><lb/> <l rendition="#et">Der Entschluß ist ihm genommen;</l><lb/> <l rendition="#et">Auf gebahnten Weges Mitte</l><lb/> <l rendition="#et">Wankt er tastend halbe Schritte.</l><lb/> </lg> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [316/0328]
Er wandle so den Erdentag entlang;
Wenn Geister spuken geh’ er seinen Gang;
Im Weiterschreiten find’ er Qual und Glück,
Er! unbefriedigt jeden Augenblick.
Sorge.
Wen ich einmal mir besitze
Dem ist alle Welt nichts nütze,
Ewiges Düstre steigt herunter,
Sonne geht nicht auf noch unter,
Bei vollkommnen äußern Sinnen
Wohnen Finsternisse drinnen.
Und er weiß von allen Schätzen
Sich nicht in Besitz zu setzen.
Glück und Unglück wird zur Grille,
Er verhungert in der Fülle,
Sey es Wonne, sey es Plage,
Schiebt er’s zu dem andern Tage,
Ist der Zukunft nur gewärtig,
Und so wird er niemals fertig.
Faust.
Hör’ auf! so kommst du mir nicht bei!
Ich mag nicht solchen Unsinn hören.
Fahr’ hin! die schlechte Litaney
Sie könnte selbst den klügsten Mann bethören.
Sorge.
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Auf gebahnten Weges Mitte
Wankt er tastend halbe Schritte.
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Zitationshilfe: | Goethe, Johann Wolfgang von: Faust. Der Tragödie zweiter Teil. Stuttgart, 1832, S. 316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_faust02_1832/328>, abgerufen am 16.02.2025. |