Goethe, Johann Wolfgang von: Faust. Der Tragödie zweiter Teil. Stuttgart, 1832.Züngelnd lichte Blitze steigen Zwischen Blättern, zwischen Zweigen; Aeste dürr, die flackernd brennen, Glühen schnell und stürzen ein. Sollt ihr Augen dieß erkennen! Muß ich so weitsichtig seyn! Das Capellchen bricht zusammen Von der Aeste Sturz und Last; Schlängelnd sind, mit spitzen Flammen, Schon die Gipfel angefaßt. Bis zur Wurzel glühn die hohlen Stämme, purpurroth im Glühn. (Lange Pause, Gesang.) Was sich sonst dem Blick empfohlen, Mit Jahrhunderten ist hin. Faust
(auf dem Balkon, gegen die Dünen). Von oben welch ein singend Wimmern? Das Wort ist hier, der Ton zu spat, Mein Thürmer jammert; mich, im Innern, Verdrießt die ungeduldige That. Doch sey der Lindenwuchs vernichtet, Zu halbverkohlter Stämme Graun, Ein Luginsland ist bald errichtet, Um in's Unendliche zu schaun. Da seh' ich auch die neue Wohnung, Die jenes alte Paar umschließt, Das, im Gefühl großmüthiger Schonung, Der späten Tage froh genießt. Züngelnd lichte Blitze steigen Zwischen Blättern, zwischen Zweigen; Aeste dürr, die flackernd brennen, Glühen schnell und stürzen ein. Sollt ihr Augen dieß erkennen! Muß ich so weitsichtig seyn! Das Capellchen bricht zusammen Von der Aeste Sturz und Last; Schlängelnd sind, mit spitzen Flammen, Schon die Gipfel angefaßt. Bis zur Wurzel glühn die hohlen Stämme, purpurroth im Glühn. (Lange Pause, Gesang.) Was sich sonst dem Blick empfohlen, Mit Jahrhunderten ist hin. Faust
(auf dem Balkon, gegen die Dünen). Von oben welch ein singend Wimmern? Das Wort ist hier, der Ton zu spat, Mein Thürmer jammert; mich, im Innern, Verdrießt die ungeduldige That. Doch sey der Lindenwuchs vernichtet, Zu halbverkohlter Stämme Graun, Ein Luginsland ist bald errichtet, Um in’s Unendliche zu schaun. Da seh’ ich auch die neue Wohnung, Die jenes alte Paar umschließt, Das, im Gefühl großmüthiger Schonung, Der späten Tage froh genießt. <TEI> <text> <body> <div type="act" n="1"> <div type="scene" n="2"> <sp> <lg type="poem"> <pb facs="#f0322" n="310"/> <l rendition="#et">Züngelnd lichte Blitze steigen</l><lb/> <l rendition="#et">Zwischen Blättern, zwischen Zweigen;</l><lb/> <l rendition="#et">Aeste dürr, die flackernd brennen,</l><lb/> <l rendition="#et">Glühen schnell und stürzen ein.</l><lb/> <l rendition="#et">Sollt ihr Augen dieß erkennen!</l><lb/> <l rendition="#et">Muß ich so weitsichtig seyn!</l><lb/> <l rendition="#et">Das Capellchen bricht zusammen</l><lb/> <l rendition="#et">Von der Aeste Sturz und Last;</l><lb/> <l rendition="#et">Schlängelnd sind, mit spitzen Flammen,</l><lb/> <l rendition="#et">Schon die Gipfel angefaßt.</l><lb/> <l rendition="#et">Bis zur Wurzel glühn die hohlen</l><lb/> <l rendition="#et">Stämme, purpurroth im Glühn.</l><lb/> <stage>(Lange Pause, Gesang.)</stage><lb/> <l rendition="#et">Was sich sonst dem Blick empfohlen,</l><lb/> <l rendition="#et">Mit Jahrhunderten ist hin.</l><lb/> </lg> </sp> <sp> <speaker> <hi rendition="#g">Faust</hi> </speaker><lb/> <stage>(auf dem Balkon, gegen die Dünen).</stage><lb/> <p>Von oben welch ein singend Wimmern?<lb/> Das Wort ist hier, der Ton zu spat,<lb/> Mein Thürmer jammert; mich, im Innern,<lb/> Verdrießt die ungeduldige That.<lb/> Doch sey der Lindenwuchs vernichtet,<lb/> Zu halbverkohlter Stämme Graun,<lb/> Ein Luginsland ist bald errichtet,<lb/> Um in’s Unendliche zu schaun.<lb/> Da seh’ ich auch die neue Wohnung,<lb/> Die jenes alte Paar umschließt,<lb/> Das, im Gefühl großmüthiger Schonung,<lb/> Der späten Tage froh genießt.<lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [310/0322]
Züngelnd lichte Blitze steigen
Zwischen Blättern, zwischen Zweigen;
Aeste dürr, die flackernd brennen,
Glühen schnell und stürzen ein.
Sollt ihr Augen dieß erkennen!
Muß ich so weitsichtig seyn!
Das Capellchen bricht zusammen
Von der Aeste Sturz und Last;
Schlängelnd sind, mit spitzen Flammen,
Schon die Gipfel angefaßt.
Bis zur Wurzel glühn die hohlen
Stämme, purpurroth im Glühn.
(Lange Pause, Gesang.)
Was sich sonst dem Blick empfohlen,
Mit Jahrhunderten ist hin.
Faust
(auf dem Balkon, gegen die Dünen).
Von oben welch ein singend Wimmern?
Das Wort ist hier, der Ton zu spat,
Mein Thürmer jammert; mich, im Innern,
Verdrießt die ungeduldige That.
Doch sey der Lindenwuchs vernichtet,
Zu halbverkohlter Stämme Graun,
Ein Luginsland ist bald errichtet,
Um in’s Unendliche zu schaun.
Da seh’ ich auch die neue Wohnung,
Die jenes alte Paar umschließt,
Das, im Gefühl großmüthiger Schonung,
Der späten Tage froh genießt.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-11-15T13:54:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Freies Deutsches Hochstift (Frankfurter Goethe-Museum), Sign. III B / 23: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2014-03-12T12:00:00Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-11-15T13:54:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |