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Goethe, Johann Wolfgang von: Faust. Der Tragödie zweiter Teil. Stuttgart, 1832.

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Thöriger Liebe Neckereyen, Scherzgeschrei und Lustge-
jauchze
Wechselnd übertäuben mich.
Nackt ein Genius ohne Flügel, faunenartig ohne Thierheit
Springt er auf den festen Boden, doch der Boden gegen-
wirkend
Schnellt ihn zu der luftigen Höhe, und im zweyten
dritten Sprunge
Rührt er an das Hochgewölb.
Aengstlich ruft die Mutter: springe wiederholt und nach
Belieben,
Aber hüte dich zu fliegen, freier Flug ist dir versagt.
Und so mahnt der treue Vater: in der Erde liegt die
Schnellkraft,
Die dich aufwärts treibt, berühre mit der Zehe nur
den Boden
Wie der Erdensohn Antäus bist du alsobald gestärkt.
Und so hüpft er auf die Masse dieses Felsens, von der
Kante
Zu dem andern und umher so wie ein Ball geschlagen
springt.
Doch auf einmal in der Spalte rauher Schlucht ist er
verschwunden,
Und nun scheint er uns verloren. Mutter jammert,
Vater tröstet,
Achselzuckend steh' ich ängstlich. Doch nun wieder welch
Erscheinen!
Liegen Schätze dort verborgen? Blumenstreifige Ge-
wande
Thöriger Liebe Neckereyen, Scherzgeschrei und Lustge-
jauchze
Wechselnd übertäuben mich.
Nackt ein Genius ohne Flügel, faunenartig ohne Thierheit
Springt er auf den festen Boden, doch der Boden gegen-
wirkend
Schnellt ihn zu der luftigen Höhe, und im zweyten
dritten Sprunge
Rührt er an das Hochgewölb.
Aengstlich ruft die Mutter: springe wiederholt und nach
Belieben,
Aber hüte dich zu fliegen, freier Flug ist dir versagt.
Und so mahnt der treue Vater: in der Erde liegt die
Schnellkraft,
Die dich aufwärts treibt, berühre mit der Zehe nur
den Boden
Wie der Erdensohn Antäus bist du alsobald gestärkt.
Und so hüpft er auf die Masse dieses Felsens, von der
Kante
Zu dem andern und umher so wie ein Ball geschlagen
springt.
Doch auf einmal in der Spalte rauher Schlucht ist er
verschwunden,
Und nun scheint er uns verloren. Mutter jammert,
Vater tröstet,
Achselzuckend steh’ ich ängstlich. Doch nun wieder welch
Erscheinen!
Liegen Schätze dort verborgen? Blumenstreifige Ge-
wande
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[229/0241] Thöriger Liebe Neckereyen, Scherzgeschrei und Lustge- jauchze Wechselnd übertäuben mich. Nackt ein Genius ohne Flügel, faunenartig ohne Thierheit Springt er auf den festen Boden, doch der Boden gegen- wirkend Schnellt ihn zu der luftigen Höhe, und im zweyten dritten Sprunge Rührt er an das Hochgewölb. Aengstlich ruft die Mutter: springe wiederholt und nach Belieben, Aber hüte dich zu fliegen, freier Flug ist dir versagt. Und so mahnt der treue Vater: in der Erde liegt die Schnellkraft, Die dich aufwärts treibt, berühre mit der Zehe nur den Boden Wie der Erdensohn Antäus bist du alsobald gestärkt. Und so hüpft er auf die Masse dieses Felsens, von der Kante Zu dem andern und umher so wie ein Ball geschlagen springt. Doch auf einmal in der Spalte rauher Schlucht ist er verschwunden, Und nun scheint er uns verloren. Mutter jammert, Vater tröstet, Achselzuckend steh’ ich ängstlich. Doch nun wieder welch Erscheinen! Liegen Schätze dort verborgen? Blumenstreifige Ge- wande

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Faust. Der Tragödie zweiter Teil. Stuttgart, 1832, S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_faust02_1832/241>, abgerufen am 24.11.2024.