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Goethe, Johann Wolfgang von: Faust. Der Tragödie zweiter Teil. Stuttgart, 1832.

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Im Wahn das Meine, dir anheim zu geben?
Zu deinen Füßen laß mich, frei und treu,
Dich Herrin anerkennen, die sogleich
Auftretend sich Besitz und Thron erwarb.
Lynceus
(mit einer Kiste und Männer die ihm andere nachtragen).
Du siehst mich, Königin, zurück!
Der Reiche bettelt einen Blick,
Er sieht dich an und fühlt sogleich
Sich bettelarm und fürstenreich.
Was war ich erst? was bin ich nun?
Was ist zu wollen? was zu thun?
Was hilft der Augen schärfster Blitz!
Er prallt zurück an deinem Sitz.
Von Osten kamen wir heran
Und um den Westen war's gethan;
Ein lang und breites Volksgewicht,
Der erste wußte vom letzten nicht.
Der erste fiel, der zweyte stand,
Des dritten Lanze war zur Hand;
Ein jeder hundertfach gestärkt,
Erschlagne Tausend unbemerkt.
Wir drängten fort, wir stürmten fort,
Wir waren Herrn von Ort zu Ort;
Und wo ich herrisch heut befahl
Ein andrer morgen raubt' und stahl.
Im Wahn das Meine, dir anheim zu geben?
Zu deinen Füßen laß mich, frei und treu,
Dich Herrin anerkennen, die sogleich
Auftretend sich Besitz und Thron erwarb.
Lynceus
(mit einer Kiste und Männer die ihm andere nachtragen).
Du siehst mich, Königin, zurück!
Der Reiche bettelt einen Blick,
Er sieht dich an und fühlt sogleich
Sich bettelarm und fürstenreich.
Was war ich erst? was bin ich nun?
Was ist zu wollen? was zu thun?
Was hilft der Augen schärfster Blitz!
Er prallt zurück an deinem Sitz.
Von Osten kamen wir heran
Und um den Westen war’s gethan;
Ein lang und breites Volksgewicht,
Der erste wußte vom letzten nicht.
Der erste fiel, der zweyte stand,
Des dritten Lanze war zur Hand;
Ein jeder hundertfach gestärkt,
Erschlagne Tausend unbemerkt.
Wir drängten fort, wir stürmten fort,
Wir waren Herrn von Ort zu Ort;
Und wo ich herrisch heut befahl
Ein andrer morgen raubt’ und stahl.
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[214/0226] Im Wahn das Meine, dir anheim zu geben? Zu deinen Füßen laß mich, frei und treu, Dich Herrin anerkennen, die sogleich Auftretend sich Besitz und Thron erwarb. Lynceus (mit einer Kiste und Männer die ihm andere nachtragen). Du siehst mich, Königin, zurück! Der Reiche bettelt einen Blick, Er sieht dich an und fühlt sogleich Sich bettelarm und fürstenreich. Was war ich erst? was bin ich nun? Was ist zu wollen? was zu thun? Was hilft der Augen schärfster Blitz! Er prallt zurück an deinem Sitz. Von Osten kamen wir heran Und um den Westen war’s gethan; Ein lang und breites Volksgewicht, Der erste wußte vom letzten nicht. Der erste fiel, der zweyte stand, Des dritten Lanze war zur Hand; Ein jeder hundertfach gestärkt, Erschlagne Tausend unbemerkt. Wir drängten fort, wir stürmten fort, Wir waren Herrn von Ort zu Ort; Und wo ich herrisch heut befahl Ein andrer morgen raubt’ und stahl.

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Faust. Der Tragödie zweiter Teil. Stuttgart, 1832, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_faust02_1832/226>, abgerufen am 24.11.2024.