Goethe, Johann Wolfgang von: Faust. Der Tragödie zweiter Teil. Stuttgart, 1832. Thales. Die Welle beugt sich jedem Winde gern, Doch hält sie sich vom schroffen Felsen fern. Anaxagoras. Durch Feuerdunst ist dieser Fels zu Handen. Thales. Im Feuchten ist Lebendiges erstanden. Homunculus (zwischen beiden). Laßt mich an eurer Seite gehn, Mir selbst gelüstet's zu entstehn! Anaxagoras. Hast du, o Thales, je, in Einer Nacht, Solch einen Berg aus Schlamm hervorgebracht? Thales. Nie war Natur und ihr lebendiges Fließen Auf Tag und Nacht und Stunden angewiesen. Sie bildet regelnd jegliche Gestalt, Und selbst im Großen ist es nicht Gewalt. Anaxagoras. Hier aber war's! Plutonisch grimmig Feuer, Aeolischer Dünste Knallkraft, ungeheuer, Durchbrach des flachen Bodens alte Kruste Daß neu ein Berg sogleich entstehen mußte. Thales.
Was wird dadurch nun weiter fortgesetzt? Er ist auch da, und das ist gut zuletzt. Mit solchem Streit verliert man Zeit und Weile Und führt doch nur geduldig Volk am Seile. Thales. Die Welle beugt sich jedem Winde gern, Doch hält sie sich vom schroffen Felsen fern. Anaxagoras. Durch Feuerdunst ist dieser Fels zu Handen. Thales. Im Feuchten ist Lebendiges erstanden. Homunculus (zwischen beiden). Laßt mich an eurer Seite gehn, Mir selbst gelüstet’s zu entstehn! Anaxagoras. Hast du, o Thales, je, in Einer Nacht, Solch einen Berg aus Schlamm hervorgebracht? Thales. Nie war Natur und ihr lebendiges Fließen Auf Tag und Nacht und Stunden angewiesen. Sie bildet regelnd jegliche Gestalt, Und selbst im Großen ist es nicht Gewalt. Anaxagoras. Hier aber war’s! Plutonisch grimmig Feuer, Aeolischer Dünste Knallkraft, ungeheuer, Durchbrach des flachen Bodens alte Kruste Daß neu ein Berg sogleich entstehen mußte. Thales.
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Thales.
Die Welle beugt sich jedem Winde gern,
Doch hält sie sich vom schroffen Felsen fern.
Anaxagoras.
Durch Feuerdunst ist dieser Fels zu Handen.
Thales.
Im Feuchten ist Lebendiges erstanden.
Homunculus
(zwischen beiden).
Laßt mich an eurer Seite gehn,
Mir selbst gelüstet’s zu entstehn!
Anaxagoras.
Hast du, o Thales, je, in Einer Nacht,
Solch einen Berg aus Schlamm hervorgebracht?
Thales.
Nie war Natur und ihr lebendiges Fließen
Auf Tag und Nacht und Stunden angewiesen.
Sie bildet regelnd jegliche Gestalt,
Und selbst im Großen ist es nicht Gewalt.
Anaxagoras.
Hier aber war’s! Plutonisch grimmig Feuer,
Aeolischer Dünste Knallkraft, ungeheuer,
Durchbrach des flachen Bodens alte Kruste
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Thales.
Was wird dadurch nun weiter fortgesetzt?
Er ist auch da, und das ist gut zuletzt.
Mit solchem Streit verliert man Zeit und Weile
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Zitationshilfe: | Goethe, Johann Wolfgang von: Faust. Der Tragödie zweiter Teil. Stuttgart, 1832, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_faust02_1832/162>, abgerufen am 17.07.2024. |