Goethe, Johann Wolfgang von: Faust. Eine Tragödie. Tübingen, 1808.
Daß deine Feder sich nicht übereile! Ist es der Sinn, der alles wirkt und schafft? Es sollte stehn: im Anfang war die Kraft! Doch, auch indem ich dieses niederschreibe, Schon warnt mich was, daß ich dabey nicht bleibe. Mir hilft der Geist! auf einmal seh' ich Rath Und schreibe getrost: im Anfang war die That! Soll ich mit dir das Zimmer theilen, Pudel, so laß das Heulen, So laß das Bellen! Solch einen störenden Gesellen Mag ich nicht in der Nähe leiden. Einer von uns beyden Muß die Zelle meiden. Ungern heb' ich das Gastrecht auf, Die Thür' ist offen, hast freyen Lauf. Aber was muß ich sehen! Kann das natürlich geschehen? Ist es Schatten? ist's Wirklichkeit? Wie wird mein Pudel lang und breit! Er hebt sich mit Gewalt, 6
Daß deine Feder ſich nicht uͤbereile! Iſt es der Sinn, der alles wirkt und ſchafft? Es ſollte ſtehn: im Anfang war die Kraft! Doch, auch indem ich dieſes niederſchreibe, Schon warnt mich was, daß ich dabey nicht bleibe. Mir hilft der Geiſt! auf einmal ſeh’ ich Rath Und ſchreibe getroſt: im Anfang war die That! Soll ich mit dir das Zimmer theilen, Pudel, ſo laß das Heulen, So laß das Bellen! Solch einen ſtoͤrenden Geſellen Mag ich nicht in der Naͤhe leiden. Einer von uns beyden Muß die Zelle meiden. Ungern heb’ ich das Gaſtrecht auf, Die Thuͤr’ iſt offen, haſt freyen Lauf. Aber was muß ich ſehen! Kann das natuͤrlich geſchehen? Iſt es Schatten? iſt’s Wirklichkeit? Wie wird mein Pudel lang und breit! Er hebt ſich mit Gewalt, 6
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Daß deine Feder ſich nicht uͤbereile!
Iſt es der Sinn, der alles wirkt und ſchafft?
Es ſollte ſtehn: im Anfang war die Kraft!
Doch, auch indem ich dieſes niederſchreibe,
Schon warnt mich was, daß ich dabey nicht bleibe.
Mir hilft der Geiſt! auf einmal ſeh’ ich Rath
Und ſchreibe getroſt: im Anfang war die That!
Soll ich mit dir das Zimmer theilen,
Pudel, ſo laß das Heulen,
So laß das Bellen!
Solch einen ſtoͤrenden Geſellen
Mag ich nicht in der Naͤhe leiden.
Einer von uns beyden
Muß die Zelle meiden.
Ungern heb’ ich das Gaſtrecht auf,
Die Thuͤr’ iſt offen, haſt freyen Lauf.
Aber was muß ich ſehen!
Kann das natuͤrlich geſchehen?
Iſt es Schatten? iſt’s Wirklichkeit?
Wie wird mein Pudel lang und breit!
Er hebt ſich mit Gewalt,
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