Goethe, Johann Wolfgang von: Faust. Eine Tragödie. Tübingen, 1808.
Von dem der Quell sich ewig sprudelnd stürzt, Das ist die Lust, die solche Pfade würzt! Der Frühling webt schon in den Birken Und selbst die Fichte fühlt ihn schon, Sollt' er nicht auch auf unsre Glieder wirken? Mephistopheles. Fürwahr ich spüre nichts davon! Mir ist es winterlich im Leibe, Ich wünschte Schnee und Frost auf meiner Bahn. Wie traurig steigt die unvollkommne Scheibe Des rothen Monds mit später Gluth heran! Und leuchtet schlecht, daß man bey jedem Schritte, Vor einen Baum, vor einen Felsen rennt! Erlaub' daß ich ein Irrlicht bitte! Dort seh' ich eins, das eben lustig brennt. He da! mein Freund! darf ich dich zu uns fodern? Was willst du so vergebens lodern? Sey doch so gut und leucht' uns da hinauf! Irrlicht. Aus Ehrfurcht, hoff' ich, soll es mir gelingen Mein leichtes Naturell zu zwingen, Nur Zickzack geht gewöhnlich unser Lauf. 17
Von dem der Quell ſich ewig ſprudelnd ſtuͤrzt, Das iſt die Luſt, die ſolche Pfade wuͤrzt! Der Fruͤhling webt ſchon in den Birken Und ſelbſt die Fichte fuͤhlt ihn ſchon, Sollt’ er nicht auch auf unſre Glieder wirken? Mephiſtopheles. Fuͤrwahr ich ſpuͤre nichts davon! Mir iſt es winterlich im Leibe, Ich wuͤnſchte Schnee und Froſt auf meiner Bahn. Wie traurig ſteigt die unvollkommne Scheibe Des rothen Monds mit ſpaͤter Gluth heran! Und leuchtet ſchlecht, daß man bey jedem Schritte, Vor einen Baum, vor einen Felſen rennt! Erlaub’ daß ich ein Irrlicht bitte! Dort ſeh’ ich eins, das eben luſtig brennt. He da! mein Freund! darf ich dich zu uns fodern? Was willſt du ſo vergebens lodern? Sey doch ſo gut und leucht’ uns da hinauf! Irrlicht. Aus Ehrfurcht, hoff’ ich, ſoll es mir gelingen Mein leichtes Naturell zu zwingen, Nur Zickzack geht gewoͤhnlich unſer Lauf. 17
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <sp who="#FAU"> <p><pb facs="#f0263" n="257"/> Von dem der Quell ſich ewig ſprudelnd ſtuͤrzt,<lb/> Das iſt die Luſt, die ſolche Pfade wuͤrzt!<lb/> Der Fruͤhling webt ſchon in den Birken<lb/> Und ſelbſt die Fichte fuͤhlt ihn ſchon,<lb/> Sollt’ er nicht auch auf unſre Glieder wirken?</p> </sp><lb/> <sp who="#MEP"> <speaker><hi rendition="#g">Mephiſtopheles</hi>.</speaker><lb/> <p>Fuͤrwahr ich ſpuͤre nichts davon!<lb/> Mir iſt es winterlich im Leibe,<lb/> Ich wuͤnſchte Schnee und Froſt auf meiner Bahn.<lb/> Wie traurig ſteigt die unvollkommne Scheibe<lb/> Des rothen Monds mit ſpaͤter Gluth heran!<lb/> Und leuchtet ſchlecht, daß man bey jedem Schritte,<lb/> Vor einen Baum, vor einen Felſen rennt!<lb/> Erlaub’ daß ich ein Irrlicht bitte!<lb/> Dort ſeh’ ich eins, das eben luſtig brennt.<lb/> He da! mein Freund! darf ich dich zu uns fodern?<lb/> Was willſt du ſo vergebens lodern?<lb/> Sey doch ſo gut und leucht’ uns da hinauf!</p> </sp><lb/> <sp who="#IRR"> <speaker><hi rendition="#g">Irrlicht</hi>.</speaker><lb/> <p>Aus Ehrfurcht, hoff’ ich, ſoll es mir gelingen<lb/> Mein leichtes Naturell zu zwingen,<lb/> Nur Zickzack geht gewoͤhnlich unſer Lauf.</p> </sp><lb/> <fw place="bottom" type="sig">17</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [257/0263]
Von dem der Quell ſich ewig ſprudelnd ſtuͤrzt,
Das iſt die Luſt, die ſolche Pfade wuͤrzt!
Der Fruͤhling webt ſchon in den Birken
Und ſelbſt die Fichte fuͤhlt ihn ſchon,
Sollt’ er nicht auch auf unſre Glieder wirken?
Mephiſtopheles.
Fuͤrwahr ich ſpuͤre nichts davon!
Mir iſt es winterlich im Leibe,
Ich wuͤnſchte Schnee und Froſt auf meiner Bahn.
Wie traurig ſteigt die unvollkommne Scheibe
Des rothen Monds mit ſpaͤter Gluth heran!
Und leuchtet ſchlecht, daß man bey jedem Schritte,
Vor einen Baum, vor einen Felſen rennt!
Erlaub’ daß ich ein Irrlicht bitte!
Dort ſeh’ ich eins, das eben luſtig brennt.
He da! mein Freund! darf ich dich zu uns fodern?
Was willſt du ſo vergebens lodern?
Sey doch ſo gut und leucht’ uns da hinauf!
Irrlicht.
Aus Ehrfurcht, hoff’ ich, ſoll es mir gelingen
Mein leichtes Naturell zu zwingen,
Nur Zickzack geht gewoͤhnlich unſer Lauf.
17
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_faust01_1808 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_faust01_1808/263 |
Zitationshilfe: | Goethe, Johann Wolfgang von: Faust. Eine Tragödie. Tübingen, 1808, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_faust01_1808/263>, abgerufen am 22.07.2024. |