Goethe, Johann Wolfgang von: Faust. Eine Tragödie. Tübingen, 1808. Mephistopheles. Gar wohl, mein Freund! Ich hab' euch oft beneidet Um's Zwillingspaar, das unter Rosen weidet. Faust. Entfliehe, Kuppler! Mephistopheles. Schön! Ihr schimpft und ich muß lachen. Der Gott, der Bub' und Mädchen schuf, Erkannte gleich den edelsten Beruf, Auch selbst Gelegenheit zu machen. Nur fort, es ist ein großer Jammer! Ihr sollt in eures Liebchens Kammer, Nicht etwa in den Tod. Faust. Was ist die Himmelsfreud' in ihren Armen? Laß mich an ihrer Brust erwarmen! Fühl' ich nicht immer ihre Noth? Bin ich der Flüchtling nicht? der Unbehaus'te? Der Unmensch ohne Zweck und Ruh? Der wie ein Wassersturz von Fels zu Felsen braus'te Begierig wüthend nach dem Abgrund zu. Und seitwärts sie, mit kindlich dumpfen Sinnen, Mephiſtopheles. Gar wohl, mein Freund! Ich hab’ euch oft beneidet Um’s Zwillingspaar, das unter Roſen weidet. Fauſt. Entfliehe, Kuppler! Mephiſtopheles. Schoͤn! Ihr ſchimpft und ich muß lachen. Der Gott, der Bub’ und Maͤdchen ſchuf, Erkannte gleich den edelſten Beruf, Auch ſelbſt Gelegenheit zu machen. Nur fort, es iſt ein großer Jammer! Ihr ſollt in eures Liebchens Kammer, Nicht etwa in den Tod. Fauſt. Was iſt die Himmelsfreud’ in ihren Armen? Laß mich an ihrer Bruſt erwarmen! Fuͤhl’ ich nicht immer ihre Noth? Bin ich der Fluͤchtling nicht? der Unbehauſ’te? Der Unmenſch ohne Zweck und Ruh? Der wie ein Waſſerſturz von Fels zu Felſen brauſ’te Begierig wuͤthend nach dem Abgrund zu. Und ſeitwaͤrts ſie, mit kindlich dumpfen Sinnen, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0227" n="221"/> <sp who="#MEP"> <speaker><hi rendition="#g">Mephiſtopheles</hi>.</speaker><lb/> <p>Gar wohl, mein Freund! Ich hab’ euch oft beneidet<lb/> Um’s Zwillingspaar, das unter Roſen weidet.</p> </sp><lb/> <sp who="#FAU"> <speaker><hi rendition="#g">Fauſt</hi>.</speaker><lb/> <p>Entfliehe, Kuppler!</p> </sp><lb/> <sp who="#MEP"> <speaker><hi rendition="#g">Mephiſtopheles</hi>.</speaker><lb/> <p><hi rendition="#et">Schoͤn! Ihr ſchimpft und ich muß lachen.</hi><lb/> Der Gott, der Bub’ und Maͤdchen ſchuf,<lb/> Erkannte gleich den edelſten Beruf,<lb/> Auch ſelbſt Gelegenheit zu machen.<lb/> Nur fort, es iſt ein großer Jammer!<lb/> Ihr ſollt in eures Liebchens Kammer,<lb/> Nicht etwa in den Tod.</p> </sp><lb/> <sp who="#FAU"> <speaker><hi rendition="#g">Fauſt</hi>.</speaker><lb/> <p>Was iſt die Himmelsfreud’ in ihren Armen?<lb/> Laß mich an ihrer Bruſt erwarmen!<lb/> Fuͤhl’ ich nicht immer ihre Noth?<lb/> Bin ich der Fluͤchtling nicht? der Unbehauſ’te?<lb/> Der Unmenſch ohne Zweck und Ruh?<lb/> Der wie ein Waſſerſturz von Fels zu Felſen brauſ’te<lb/> Begierig wuͤthend nach dem Abgrund zu.<lb/> Und ſeitwaͤrts ſie, mit kindlich dumpfen Sinnen,<lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [221/0227]
Mephiſtopheles.
Gar wohl, mein Freund! Ich hab’ euch oft beneidet
Um’s Zwillingspaar, das unter Roſen weidet.
Fauſt.
Entfliehe, Kuppler!
Mephiſtopheles.
Schoͤn! Ihr ſchimpft und ich muß lachen.
Der Gott, der Bub’ und Maͤdchen ſchuf,
Erkannte gleich den edelſten Beruf,
Auch ſelbſt Gelegenheit zu machen.
Nur fort, es iſt ein großer Jammer!
Ihr ſollt in eures Liebchens Kammer,
Nicht etwa in den Tod.
Fauſt.
Was iſt die Himmelsfreud’ in ihren Armen?
Laß mich an ihrer Bruſt erwarmen!
Fuͤhl’ ich nicht immer ihre Noth?
Bin ich der Fluͤchtling nicht? der Unbehauſ’te?
Der Unmenſch ohne Zweck und Ruh?
Der wie ein Waſſerſturz von Fels zu Felſen brauſ’te
Begierig wuͤthend nach dem Abgrund zu.
Und ſeitwaͤrts ſie, mit kindlich dumpfen Sinnen,
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