Goethe, Johann Wolfgang von: Faust. Eine Tragödie. Tübingen, 1808.
Und Nachbarstämme, quetschend, nieder streift, Und ihrem Fall dumpf hohl der Hügel donnert; Dann führst du mich zur sichern Höhle, zeigst Mich dann mir selbst, und meiner eignen Brust Geheime tiefe Wunder öffnen sich. Und steigt vor meinem Blick der reine Mond Besänftigend herüber; schweben mir Von Felsenwänden, aus dem feuchten Busch, Der Vorwelt silberne Gestalten auf, Und lindern der Betrachtung strenge Lust. O daß dem Menschen nichts Vollkomm'nes wird, Empfind' ich nun. Du gabst zu dieser Wonne, Die mich den Göttern nah' und näher bringt, Mir den Gefährten, den ich schon nicht mehr Entbehren kann, wenn er gleich, kalt und frech, Mich vor mir selbst erniedrigt, und zu Nichts, Mit einem Worthauch, deine Gaben wandelt. Er facht in meiner Brust ein wildes Feuer Nach jenem schönen Bild geschäftig an.
Und Nachbarſtaͤmme, quetſchend, nieder ſtreift, Und ihrem Fall dumpf hohl der Huͤgel donnert; Dann fuͤhrſt du mich zur ſichern Hoͤhle, zeigſt Mich dann mir ſelbſt, und meiner eignen Bruſt Geheime tiefe Wunder oͤffnen ſich. Und ſteigt vor meinem Blick der reine Mond Beſaͤnftigend heruͤber; ſchweben mir Von Felſenwaͤnden, aus dem feuchten Buſch, Der Vorwelt ſilberne Geſtalten auf, Und lindern der Betrachtung ſtrenge Luſt. O daß dem Menſchen nichts Vollkomm’nes wird, Empfind’ ich nun. Du gabſt zu dieſer Wonne, Die mich den Goͤttern nah’ und naͤher bringt, Mir den Gefaͤhrten, den ich ſchon nicht mehr Entbehren kann, wenn er gleich, kalt und frech, Mich vor mir ſelbſt erniedrigt, und zu Nichts, Mit einem Worthauch, deine Gaben wandelt. Er facht in meiner Bruſt ein wildes Feuer Nach jenem ſchoͤnen Bild geſchaͤftig an. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <sp who="#FAU"> <p><pb facs="#f0221" n="215"/> Und Nachbarſtaͤmme, quetſchend, nieder ſtreift,<lb/> Und ihrem Fall dumpf hohl der Huͤgel donnert;<lb/> Dann fuͤhrſt du mich zur ſichern Hoͤhle, zeigſt<lb/> Mich dann mir ſelbſt, und meiner eignen Bruſt<lb/> Geheime tiefe Wunder oͤffnen ſich.<lb/> Und ſteigt vor meinem Blick der reine Mond<lb/> Beſaͤnftigend heruͤber; ſchweben mir<lb/> Von Felſenwaͤnden, aus dem feuchten Buſch,<lb/> Der Vorwelt ſilberne Geſtalten auf,<lb/> Und lindern der Betrachtung ſtrenge Luſt.</p><lb/> <p>O daß dem Menſchen nichts Vollkomm’nes wird,<lb/> Empfind’ ich nun. Du gabſt zu dieſer Wonne,<lb/> Die mich den Goͤttern nah’ und naͤher bringt,<lb/> Mir den Gefaͤhrten, den ich ſchon nicht mehr<lb/> Entbehren kann, wenn er gleich, kalt und frech,<lb/> Mich vor mir ſelbſt erniedrigt, und zu Nichts,<lb/> Mit einem Worthauch, deine Gaben wandelt.<lb/> Er facht in meiner Bruſt ein wildes Feuer<lb/> Nach jenem ſchoͤnen Bild geſchaͤftig an.<lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [215/0221]
Und Nachbarſtaͤmme, quetſchend, nieder ſtreift,
Und ihrem Fall dumpf hohl der Huͤgel donnert;
Dann fuͤhrſt du mich zur ſichern Hoͤhle, zeigſt
Mich dann mir ſelbſt, und meiner eignen Bruſt
Geheime tiefe Wunder oͤffnen ſich.
Und ſteigt vor meinem Blick der reine Mond
Beſaͤnftigend heruͤber; ſchweben mir
Von Felſenwaͤnden, aus dem feuchten Buſch,
Der Vorwelt ſilberne Geſtalten auf,
Und lindern der Betrachtung ſtrenge Luſt.
O daß dem Menſchen nichts Vollkomm’nes wird,
Empfind’ ich nun. Du gabſt zu dieſer Wonne,
Die mich den Goͤttern nah’ und naͤher bringt,
Mir den Gefaͤhrten, den ich ſchon nicht mehr
Entbehren kann, wenn er gleich, kalt und frech,
Mich vor mir ſelbſt erniedrigt, und zu Nichts,
Mit einem Worthauch, deine Gaben wandelt.
Er facht in meiner Bruſt ein wildes Feuer
Nach jenem ſchoͤnen Bild geſchaͤftig an.
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