Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Faust. Eine Tragödie. Tübingen, 1808.

Bild:
<< vorherige Seite
Mephistopheles.
Allein, weiß Gott! sie war mehr Schuld als ich.
Marthe.
Das lügt er! Was! am Rand des Grab's zu lügen!
Mephistopheles.
Er fabelte gewiß in letzten Zügen,
Wenn ich nur halb ein Kenner bin.
Ich hatte, sprach er, nicht zum Zeitvertreib zu gaffen,
Erst Kinder, und dann Brot für sie zu schaffen,
Und Brot im allerweit'sten Sinn,
Und konnte nicht einmal mein Theil in Frieden essen.
Marthe.
Hat er so aller Treu', so aller Lieb' vergessen,
Der Plackerey bey Tag und Nacht!
Mephistopheles.
Nicht doch, er hat euch herzlich dran gedacht.
Er sprach: Als ich nun weg von Malta ging,
Da betet' ich für Frau und Kinder brünstig;
Uns war denn auch der Himmel günstig,
Daß unser Schiff ein Türkisch Fahrzeug fing,
Das einen Schatz des großen Sultans führte.
Da ward der Tapferkeit ihr Lohn,
Mephiſtopheles.
Allein, weiß Gott! ſie war mehr Schuld als ich.
Marthe.
Das luͤgt er! Was! am Rand des Grab’s zu luͤgen!
Mephiſtopheles.
Er fabelte gewiß in letzten Zuͤgen,
Wenn ich nur halb ein Kenner bin.
Ich hatte, ſprach er, nicht zum Zeitvertreib zu gaffen,
Erſt Kinder, und dann Brot fuͤr ſie zu ſchaffen,
Und Brot im allerweit’ſten Sinn,
Und konnte nicht einmal mein Theil in Frieden eſſen.
Marthe.
Hat er ſo aller Treu’, ſo aller Lieb’ vergeſſen,
Der Plackerey bey Tag und Nacht!
Mephiſtopheles.
Nicht doch, er hat euch herzlich dran gedacht.
Er ſprach: Als ich nun weg von Malta ging,
Da betet’ ich fuͤr Frau und Kinder bruͤnſtig;
Uns war denn auch der Himmel guͤnſtig,
Daß unſer Schiff ein Tuͤrkiſch Fahrzeug fing,
Das einen Schatz des großen Sultans fuͤhrte.
Da ward der Tapferkeit ihr Lohn,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0197" n="191"/>
          <sp who="#MEP">
            <speaker><hi rendition="#g">Mephi&#x017F;topheles</hi>.</speaker><lb/>
            <p>Allein, weiß Gott! &#x017F;ie war mehr Schuld als ich.</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#MARTHE">
            <speaker><hi rendition="#g">Marthe</hi>.</speaker><lb/>
            <p>Das lu&#x0364;gt er! Was! am Rand des Grab&#x2019;s zu lu&#x0364;gen!</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#MEP">
            <speaker><hi rendition="#g">Mephi&#x017F;topheles</hi>.</speaker><lb/>
            <p>Er fabelte gewiß in letzten Zu&#x0364;gen,<lb/>
Wenn ich nur halb ein Kenner bin.<lb/>
Ich hatte, &#x017F;prach er, nicht zum Zeitvertreib zu gaffen,<lb/>
Er&#x017F;t Kinder, und dann Brot fu&#x0364;r &#x017F;ie zu &#x017F;chaffen,<lb/>
Und Brot im allerweit&#x2019;&#x017F;ten Sinn,<lb/>
Und konnte nicht einmal mein Theil in Frieden e&#x017F;&#x017F;en.</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#MARTHE">
            <speaker><hi rendition="#g">Marthe</hi>.</speaker><lb/>
            <p>Hat er &#x017F;o aller Treu&#x2019;, &#x017F;o aller Lieb&#x2019; verge&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
Der Plackerey bey Tag und Nacht!</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#MEP">
            <speaker><hi rendition="#g">Mephi&#x017F;topheles</hi>.</speaker><lb/>
            <p>Nicht doch, er hat euch herzlich dran gedacht.<lb/>
Er &#x017F;prach: Als ich nun weg von Malta ging,<lb/>
Da betet&#x2019; ich fu&#x0364;r Frau und Kinder bru&#x0364;n&#x017F;tig;<lb/>
Uns war denn auch der Himmel gu&#x0364;n&#x017F;tig,<lb/>
Daß un&#x017F;er Schiff ein Tu&#x0364;rki&#x017F;ch Fahrzeug fing,<lb/>
Das einen Schatz des großen Sultans fu&#x0364;hrte.<lb/>
Da ward der Tapferkeit ihr Lohn,<lb/></p>
          </sp>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[191/0197] Mephiſtopheles. Allein, weiß Gott! ſie war mehr Schuld als ich. Marthe. Das luͤgt er! Was! am Rand des Grab’s zu luͤgen! Mephiſtopheles. Er fabelte gewiß in letzten Zuͤgen, Wenn ich nur halb ein Kenner bin. Ich hatte, ſprach er, nicht zum Zeitvertreib zu gaffen, Erſt Kinder, und dann Brot fuͤr ſie zu ſchaffen, Und Brot im allerweit’ſten Sinn, Und konnte nicht einmal mein Theil in Frieden eſſen. Marthe. Hat er ſo aller Treu’, ſo aller Lieb’ vergeſſen, Der Plackerey bey Tag und Nacht! Mephiſtopheles. Nicht doch, er hat euch herzlich dran gedacht. Er ſprach: Als ich nun weg von Malta ging, Da betet’ ich fuͤr Frau und Kinder bruͤnſtig; Uns war denn auch der Himmel guͤnſtig, Daß unſer Schiff ein Tuͤrkiſch Fahrzeug fing, Das einen Schatz des großen Sultans fuͤhrte. Da ward der Tapferkeit ihr Lohn,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_faust01_1808
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_faust01_1808/197
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Faust. Eine Tragödie. Tübingen, 1808, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_faust01_1808/197>, abgerufen am 03.05.2024.