Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810.

Bild:
<< vorherige Seite

Herrn Zanotti, Präsidenten der Akademie zu Bo-
logna
, gerichtet; denn er selbst und andere wä-
ren nie im Stande gewesen, dasselbe Phä-
nomen zu sehen
."

Und gegen dieß offene und entscheidende Geständ-
niß Beccaria's, gegen so viele und sorgfältig ange-
stellte Versuche erfahrner Physiker mochte man noch ein
Zeugniß, wie das jener vornehmen Beobachter, und
ein halbes, wie das von Allamand, aufführen und
geltend zu machen suchen! Wäre dieß wohl geschehen,
wenn nicht vorgefaßte Meinung, und der Wunsch,
einer beliebten Lehre den Sieg zu verschaffen und die
Gegner auf jede Weise aus dem Felde zu schlagen, sich
eingemengt hätte? -- Die Aussage von Hemsterhuis
ist zwar bestimmter, als die von Allamand, doch
ist auch sie von keinem Gewicht, da die Art, wie der
Versuch und das Material, womit er angestellt worden,
nicht angegeben sind. Denn auf die Beschaffenheit des
Leuchtsteins kömmt auch viel an; enthielt der Baryt-
phosphor z. B. Strontian- oder flußsaure Kalkerde,
so konnte wohl ein bläulicher Schein gesehen werden,
wenn er ins blaue Licht gehalten wurde. An Leuchtstei-
nen, die aus einer Mischung der genannten Erden be-
stehen, läßt sich wirklich etwas Aehnliches zeigen, doch
nicht allein im blauen, sondern auch im Tageslichte,
weil jene Erden bläulich und grünlich leuchtende Phos-
phoren geben. An Phosphoren, die nur mit einer
Farbe leuchten, wird man nie etwas der Art wahrneh-
men.

Herrn Zanotti, Praͤſidenten der Akademie zu Bo-
logna
, gerichtet; denn er ſelbſt und andere waͤ-
ren nie im Stande geweſen, daſſelbe Phaͤ-
nomen zu ſehen
.“

Und gegen dieß offene und entſcheidende Geſtaͤnd-
niß Beccaria’s, gegen ſo viele und ſorgfaͤltig ange-
ſtellte Verſuche erfahrner Phyſiker mochte man noch ein
Zeugniß, wie das jener vornehmen Beobachter, und
ein halbes, wie das von Allamand, auffuͤhren und
geltend zu machen ſuchen! Waͤre dieß wohl geſchehen,
wenn nicht vorgefaßte Meinung, und der Wunſch,
einer beliebten Lehre den Sieg zu verſchaffen und die
Gegner auf jede Weiſe aus dem Felde zu ſchlagen, ſich
eingemengt haͤtte? — Die Ausſage von Hemſterhuis
iſt zwar beſtimmter, als die von Allamand, doch
iſt auch ſie von keinem Gewicht, da die Art, wie der
Verſuch und das Material, womit er angeſtellt worden,
nicht angegeben ſind. Denn auf die Beſchaffenheit des
Leuchtſteins koͤmmt auch viel an; enthielt der Baryt-
phosphor z. B. Strontian- oder flußſaure Kalkerde,
ſo konnte wohl ein blaͤulicher Schein geſehen werden,
wenn er ins blaue Licht gehalten wurde. An Leuchtſtei-
nen, die aus einer Miſchung der genannten Erden be-
ſtehen, laͤßt ſich wirklich etwas Aehnliches zeigen, doch
nicht allein im blauen, ſondern auch im Tageslichte,
weil jene Erden blaͤulich und gruͤnlich leuchtende Phos-
phoren geben. An Phosphoren, die nur mit einer
Farbe leuchten, wird man nie etwas der Art wahrneh-
men.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0748" n="714"/>
Herrn <hi rendition="#g">Zanotti</hi>, Pra&#x0364;&#x017F;identen der Akademie zu <hi rendition="#g">Bo-<lb/>
logna</hi>, gerichtet; <hi rendition="#g">denn er &#x017F;elb&#x017F;t und andere wa&#x0364;-<lb/>
ren nie im Stande gewe&#x017F;en, da&#x017F;&#x017F;elbe Pha&#x0364;-<lb/>
nomen zu &#x017F;ehen</hi>.&#x201C;</p><lb/>
            <p>Und gegen dieß offene und ent&#x017F;cheidende Ge&#x017F;ta&#x0364;nd-<lb/>
niß <hi rendition="#g">Beccaria&#x2019;s</hi>, gegen &#x017F;o viele und &#x017F;orgfa&#x0364;ltig ange-<lb/>
&#x017F;tellte Ver&#x017F;uche erfahrner Phy&#x017F;iker mochte man noch ein<lb/>
Zeugniß, wie das jener vornehmen Beobachter, und<lb/>
ein halbes, wie das von <hi rendition="#g">Allamand</hi>, auffu&#x0364;hren und<lb/>
geltend zu machen &#x017F;uchen! Wa&#x0364;re dieß wohl ge&#x017F;chehen,<lb/>
wenn nicht vorgefaßte Meinung, und der Wun&#x017F;ch,<lb/>
einer beliebten Lehre den Sieg zu ver&#x017F;chaffen und die<lb/>
Gegner auf jede Wei&#x017F;e aus dem Felde zu &#x017F;chlagen, &#x017F;ich<lb/>
eingemengt ha&#x0364;tte? &#x2014; Die Aus&#x017F;age von <hi rendition="#g">Hem&#x017F;terhuis</hi><lb/>
i&#x017F;t zwar be&#x017F;timmter, als die von <hi rendition="#g">Allamand</hi>, doch<lb/>
i&#x017F;t auch &#x017F;ie von keinem Gewicht, da die Art, wie der<lb/>
Ver&#x017F;uch und das Material, womit er ange&#x017F;tellt worden,<lb/>
nicht angegeben &#x017F;ind. Denn auf die Be&#x017F;chaffenheit des<lb/>
Leucht&#x017F;teins ko&#x0364;mmt auch viel an; enthielt der Baryt-<lb/>
phosphor z. B. Strontian- oder fluß&#x017F;aure Kalkerde,<lb/>
&#x017F;o konnte wohl ein bla&#x0364;ulicher Schein ge&#x017F;ehen werden,<lb/>
wenn er ins blaue Licht gehalten wurde. An Leucht&#x017F;tei-<lb/>
nen, die aus einer Mi&#x017F;chung der genannten Erden be-<lb/>
&#x017F;tehen, la&#x0364;ßt &#x017F;ich wirklich etwas Aehnliches zeigen, doch<lb/>
nicht allein im blauen, &#x017F;ondern auch im Tageslichte,<lb/>
weil jene Erden bla&#x0364;ulich und gru&#x0364;nlich leuchtende Phos-<lb/>
phoren geben. An Phosphoren, die nur mit einer<lb/>
Farbe leuchten, wird man nie etwas der Art wahrneh-<lb/>
men.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[714/0748] Herrn Zanotti, Praͤſidenten der Akademie zu Bo- logna, gerichtet; denn er ſelbſt und andere waͤ- ren nie im Stande geweſen, daſſelbe Phaͤ- nomen zu ſehen.“ Und gegen dieß offene und entſcheidende Geſtaͤnd- niß Beccaria’s, gegen ſo viele und ſorgfaͤltig ange- ſtellte Verſuche erfahrner Phyſiker mochte man noch ein Zeugniß, wie das jener vornehmen Beobachter, und ein halbes, wie das von Allamand, auffuͤhren und geltend zu machen ſuchen! Waͤre dieß wohl geſchehen, wenn nicht vorgefaßte Meinung, und der Wunſch, einer beliebten Lehre den Sieg zu verſchaffen und die Gegner auf jede Weiſe aus dem Felde zu ſchlagen, ſich eingemengt haͤtte? — Die Ausſage von Hemſterhuis iſt zwar beſtimmter, als die von Allamand, doch iſt auch ſie von keinem Gewicht, da die Art, wie der Verſuch und das Material, womit er angeſtellt worden, nicht angegeben ſind. Denn auf die Beſchaffenheit des Leuchtſteins koͤmmt auch viel an; enthielt der Baryt- phosphor z. B. Strontian- oder flußſaure Kalkerde, ſo konnte wohl ein blaͤulicher Schein geſehen werden, wenn er ins blaue Licht gehalten wurde. An Leuchtſtei- nen, die aus einer Miſchung der genannten Erden be- ſtehen, laͤßt ſich wirklich etwas Aehnliches zeigen, doch nicht allein im blauen, ſondern auch im Tageslichte, weil jene Erden blaͤulich und gruͤnlich leuchtende Phos- phoren geben. An Phosphoren, die nur mit einer Farbe leuchten, wird man nie etwas der Art wahrneh- men.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/748
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 714. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/748>, abgerufen am 27.05.2024.