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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810.

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diese Weise die gute Sache retardirt und discreditirt
worden, würde zu unfreundlichen Erklärungen Anlaß
geben, und ich könnte denn doch, da ich mit meinen
Vorfahren und mit mir selbst streng genug umgegan-
gen, die Mitlebenden nicht wohl schonender behandeln.

Viel besser und auch wohl gelinder macht sich dieß
in der folgenden Zeit, wenn sich erst ergeben wird, ob
dieses Werk sich Eingang verschafft und was für Wir-
kungen es hervorbringt. Die Farbenlehre scheint über-
haupt jetzt an die Tagesordnung zu kommen. Außer
dem was Runge in Hamburg als Maler bereits gege-
ben, verspricht Klotz in München gleichfalls von der
Kunstseite her einen ansehnlichen Beytrag. Placidus
Heinrich zu Regensburg läßt ein ausführliches Werk
erwarten, und mit einem schönen Aufsatz über die Be-
deutung der Farben in der Natur hat uns Steffens
beschenkt. Diesem möchten wir vorzüglich die gute
Sache empfehlen, da er in die Farbenwelt von der
chemischen Seite hereintritt und also mit freyem un-
befangenem Muth sein Verdienst hier bethätigen kann.
Nichts von allem soll uns unbeachtet bleiben: wir be-
merken, was für und gegen uns, was mit und wider
uns erscheint, wer den antiquirten Irrthum zu wieder-
holen trachtet, oder wer das alte und vorhandene
Wahre erneut und belebt, und wohl gar unerwartete
Ansichten durch Genie oder Zufall eröffnet, um eine Lehre
zu fördern, deren abgeschlossener Kreis sich vielleicht
vor vielen andern ausfüllen und vollenden läßt.

dieſe Weiſe die gute Sache retardirt und discreditirt
worden, wuͤrde zu unfreundlichen Erklaͤrungen Anlaß
geben, und ich koͤnnte denn doch, da ich mit meinen
Vorfahren und mit mir ſelbſt ſtreng genug umgegan-
gen, die Mitlebenden nicht wohl ſchonender behandeln.

Viel beſſer und auch wohl gelinder macht ſich dieß
in der folgenden Zeit, wenn ſich erſt ergeben wird, ob
dieſes Werk ſich Eingang verſchafft und was fuͤr Wir-
kungen es hervorbringt. Die Farbenlehre ſcheint uͤber-
haupt jetzt an die Tagesordnung zu kommen. Außer
dem was Runge in Hamburg als Maler bereits gege-
ben, verſpricht Klotz in Muͤnchen gleichfalls von der
Kunſtſeite her einen anſehnlichen Beytrag. Placidus
Heinrich zu Regensburg laͤßt ein ausfuͤhrliches Werk
erwarten, und mit einem ſchoͤnen Aufſatz uͤber die Be-
deutung der Farben in der Natur hat uns Steffens
beſchenkt. Dieſem moͤchten wir vorzuͤglich die gute
Sache empfehlen, da er in die Farbenwelt von der
chemiſchen Seite hereintritt und alſo mit freyem un-
befangenem Muth ſein Verdienſt hier bethaͤtigen kann.
Nichts von allem ſoll uns unbeachtet bleiben: wir be-
merken, was fuͤr und gegen uns, was mit und wider
uns erſcheint, wer den antiquirten Irrthum zu wieder-
holen trachtet, oder wer das alte und vorhandene
Wahre erneut und belebt, und wohl gar unerwartete
Anſichten durch Genie oder Zufall eroͤffnet, um eine Lehre
zu foͤrdern, deren abgeſchloſſener Kreis ſich vielleicht
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[701/0735] dieſe Weiſe die gute Sache retardirt und discreditirt worden, wuͤrde zu unfreundlichen Erklaͤrungen Anlaß geben, und ich koͤnnte denn doch, da ich mit meinen Vorfahren und mit mir ſelbſt ſtreng genug umgegan- gen, die Mitlebenden nicht wohl ſchonender behandeln. Viel beſſer und auch wohl gelinder macht ſich dieß in der folgenden Zeit, wenn ſich erſt ergeben wird, ob dieſes Werk ſich Eingang verſchafft und was fuͤr Wir- kungen es hervorbringt. Die Farbenlehre ſcheint uͤber- haupt jetzt an die Tagesordnung zu kommen. Außer dem was Runge in Hamburg als Maler bereits gege- ben, verſpricht Klotz in Muͤnchen gleichfalls von der Kunſtſeite her einen anſehnlichen Beytrag. Placidus Heinrich zu Regensburg laͤßt ein ausfuͤhrliches Werk erwarten, und mit einem ſchoͤnen Aufſatz uͤber die Be- deutung der Farben in der Natur hat uns Steffens beſchenkt. Dieſem moͤchten wir vorzuͤglich die gute Sache empfehlen, da er in die Farbenwelt von der chemiſchen Seite hereintritt und alſo mit freyem un- befangenem Muth ſein Verdienſt hier bethaͤtigen kann. Nichts von allem ſoll uns unbeachtet bleiben: wir be- merken, was fuͤr und gegen uns, was mit und wider uns erſcheint, wer den antiquirten Irrthum zu wieder- holen trachtet, oder wer das alte und vorhandene Wahre erneut und belebt, und wohl gar unerwartete Anſichten durch Genie oder Zufall eroͤffnet, um eine Lehre zu foͤrdern, deren abgeſchloſſener Kreis ſich vielleicht vor vielen andern ausfuͤllen und vollenden laͤßt.

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 701. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/735>, abgerufen am 22.11.2024.