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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810.

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können! Indessen fand sich bey meiner neuen Einrich-
tung so viel zu thun, so manche Hindernisse traten ein,
und die dunkle Kammer kam nicht zu Stande. Die
Prismen standen eingepackt wie sie gekommen waren in
einem Kasten unter dem Tische, und ohne die Ungeduld
des Jenaischen Besitzers hätten sie noch lange da stehen
können.

Hofrath Büttner, der alles was er von Büchern
und Instrumenten besaß, gern mittheilte, verlangte je-
doch, wie es einem vorsichtigen Eigenthümer geziemt,
daß man die geborgten Sachen nicht allzulange behalten,
daß man sie zeitig zurückgeben und lieber einmal wieder
aufs Neue borgen solle. Er war in solchen Dingen un-
vergessen und ließ es, wenn eine gewisse Zeit verflossen
war, an Erinnerungen nicht fehlen. Mit solchen wollte
er mich zwar nicht unmittelbar angehen; allein durch
einen Freund erhielt ich Nachricht von Jena: der gute
Mann sey ungeduldig, ja empfindlich, daß ihm der
mitgetheilte Apparat nicht wieder zugesendet werde. Ich
ließ dringend um einige Frist bitten, die ich auch er-
hielt, aber auch nicht besser anwendete: denn ich war
von ganz anderem Interesse festgehalten. Die Farbe,
so wie die bildende Kunst überhaupt, hatte wenig Theil
an meiner Aufmerksamkeit, ob ich gleich ungefähr in
dieser Epoche, bey Gelegenheit der Saussürischen
Reisen auf den Montblanc und des dabey gebrauchten
Kyanometers, die Phänomene der Himmelsbläue, der
blauen Schatten u. s. w. zusammenschrieb, um mich
und andre zu überzeugen, daß das Blaue nur dem

koͤnnen! Indeſſen fand ſich bey meiner neuen Einrich-
tung ſo viel zu thun, ſo manche Hinderniſſe traten ein,
und die dunkle Kammer kam nicht zu Stande. Die
Prismen ſtanden eingepackt wie ſie gekommen waren in
einem Kaſten unter dem Tiſche, und ohne die Ungeduld
des Jenaiſchen Beſitzers haͤtten ſie noch lange da ſtehen
koͤnnen.

Hofrath Buͤttner, der alles was er von Buͤchern
und Inſtrumenten beſaß, gern mittheilte, verlangte je-
doch, wie es einem vorſichtigen Eigenthuͤmer geziemt,
daß man die geborgten Sachen nicht allzulange behalten,
daß man ſie zeitig zuruͤckgeben und lieber einmal wieder
aufs Neue borgen ſolle. Er war in ſolchen Dingen un-
vergeſſen und ließ es, wenn eine gewiſſe Zeit verfloſſen
war, an Erinnerungen nicht fehlen. Mit ſolchen wollte
er mich zwar nicht unmittelbar angehen; allein durch
einen Freund erhielt ich Nachricht von Jena: der gute
Mann ſey ungeduldig, ja empfindlich, daß ihm der
mitgetheilte Apparat nicht wieder zugeſendet werde. Ich
ließ dringend um einige Friſt bitten, die ich auch er-
hielt, aber auch nicht beſſer anwendete: denn ich war
von ganz anderem Intereſſe feſtgehalten. Die Farbe,
ſo wie die bildende Kunſt uͤberhaupt, hatte wenig Theil
an meiner Aufmerkſamkeit, ob ich gleich ungefaͤhr in
dieſer Epoche, bey Gelegenheit der Sauſſuͤriſchen
Reiſen auf den Montblanc und des dabey gebrauchten
Kyanometers, die Phaͤnomene der Himmelsblaͤue, der
blauen Schatten u. ſ. w. zuſammenſchrieb, um mich
und andre zu uͤberzeugen, daß das Blaue nur dem

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[676/0710] koͤnnen! Indeſſen fand ſich bey meiner neuen Einrich- tung ſo viel zu thun, ſo manche Hinderniſſe traten ein, und die dunkle Kammer kam nicht zu Stande. Die Prismen ſtanden eingepackt wie ſie gekommen waren in einem Kaſten unter dem Tiſche, und ohne die Ungeduld des Jenaiſchen Beſitzers haͤtten ſie noch lange da ſtehen koͤnnen. Hofrath Buͤttner, der alles was er von Buͤchern und Inſtrumenten beſaß, gern mittheilte, verlangte je- doch, wie es einem vorſichtigen Eigenthuͤmer geziemt, daß man die geborgten Sachen nicht allzulange behalten, daß man ſie zeitig zuruͤckgeben und lieber einmal wieder aufs Neue borgen ſolle. Er war in ſolchen Dingen un- vergeſſen und ließ es, wenn eine gewiſſe Zeit verfloſſen war, an Erinnerungen nicht fehlen. Mit ſolchen wollte er mich zwar nicht unmittelbar angehen; allein durch einen Freund erhielt ich Nachricht von Jena: der gute Mann ſey ungeduldig, ja empfindlich, daß ihm der mitgetheilte Apparat nicht wieder zugeſendet werde. Ich ließ dringend um einige Friſt bitten, die ich auch er- hielt, aber auch nicht beſſer anwendete: denn ich war von ganz anderem Intereſſe feſtgehalten. Die Farbe, ſo wie die bildende Kunſt uͤberhaupt, hatte wenig Theil an meiner Aufmerkſamkeit, ob ich gleich ungefaͤhr in dieſer Epoche, bey Gelegenheit der Sauſſuͤriſchen Reiſen auf den Montblanc und des dabey gebrauchten Kyanometers, die Phaͤnomene der Himmelsblaͤue, der blauen Schatten u. ſ. w. zuſammenſchrieb, um mich und andre zu uͤberzeugen, daß das Blaue nur dem

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 676. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/710>, abgerufen am 22.11.2024.