Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810.

Bild:
<< vorherige Seite

Auch in Feuchtigkeiten aufgelöste reine Farbestoffe,
so wie farbige Gläser, zeigen, wenn ein dunkler Grund
hinter ihnen liegt, keine Farbe, sondern nur, wenn ein
heller hinter ihnen befindlich ist. Alsdann aber lassen
sie ihre farbige Eigenschaft eben so gut als bey durch-
fallendem Lichte sehen.

Was sich auch vielleicht gegen des Verfassers
Verfahrungsart bey seinen Versuchen einwenden läßt;
so bleibt doch das Resultat derselben für denjenigen,
der sie nachzuahmen und zu vermannigfaltigen weiß,
unverrückt stehen, in welchem sich das ganze Fundament
der Färberey und Malerey ausdrückt.

Des Verfassers Vortrag hingegen ist keiner von
den glücklichsten. Seine Ueberzeugung trifft mit der
Newtonischen nicht zusammen, und doch kann er sich
von dieser nicht losmachen, so wenig als von der Ter-
minologie, wodurch sie sich ausspricht. Man sieht
ferner durch seine Deduction wohl den Faden durch,
an welchen er sich hält, allein er verschlingt ihn selbst
und macht dadurch den Leser verworren.

Da er vorzüglich in dem chemischen Felde arbei-
tet, so steht ihm freylich die Vorstellungsart seiner
Zeit und die damalige Terminologie entgegen, wo das
Phlogiston so wunderbar Widersprechendes wirken
sollte. Die Kenntniß der verschiedenen Luftarten ist
auf dem Wege; aber der Verfasser entbehrt noch die
großen Vorzüge der neuern französischen Chemie und

Auch in Feuchtigkeiten aufgeloͤſte reine Farbeſtoffe,
ſo wie farbige Glaͤſer, zeigen, wenn ein dunkler Grund
hinter ihnen liegt, keine Farbe, ſondern nur, wenn ein
heller hinter ihnen befindlich iſt. Alsdann aber laſſen
ſie ihre farbige Eigenſchaft eben ſo gut als bey durch-
fallendem Lichte ſehen.

Was ſich auch vielleicht gegen des Verfaſſers
Verfahrungsart bey ſeinen Verſuchen einwenden laͤßt;
ſo bleibt doch das Reſultat derſelben fuͤr denjenigen,
der ſie nachzuahmen und zu vermannigfaltigen weiß,
unverruͤckt ſtehen, in welchem ſich das ganze Fundament
der Faͤrberey und Malerey ausdruͤckt.

Des Verfaſſers Vortrag hingegen iſt keiner von
den gluͤcklichſten. Seine Ueberzeugung trifft mit der
Newtoniſchen nicht zuſammen, und doch kann er ſich
von dieſer nicht losmachen, ſo wenig als von der Ter-
minologie, wodurch ſie ſich ausſpricht. Man ſieht
ferner durch ſeine Deduction wohl den Faden durch,
an welchen er ſich haͤlt, allein er verſchlingt ihn ſelbſt
und macht dadurch den Leſer verworren.

Da er vorzuͤglich in dem chemiſchen Felde arbei-
tet, ſo ſteht ihm freylich die Vorſtellungsart ſeiner
Zeit und die damalige Terminologie entgegen, wo das
Phlogiſton ſo wunderbar Widerſprechendes wirken
ſollte. Die Kenntniß der verſchiedenen Luftarten iſt
auf dem Wege; aber der Verfaſſer entbehrt noch die
großen Vorzuͤge der neuern franzoͤſiſchen Chemie und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0668" n="634"/>
            <p>Auch in Feuchtigkeiten aufgelo&#x0364;&#x017F;te reine Farbe&#x017F;toffe,<lb/>
&#x017F;o wie farbige Gla&#x0364;&#x017F;er, zeigen, wenn ein dunkler Grund<lb/>
hinter ihnen liegt, keine Farbe, &#x017F;ondern nur, wenn ein<lb/>
heller hinter ihnen befindlich i&#x017F;t. Alsdann aber la&#x017F;&#x017F;en<lb/>
&#x017F;ie ihre farbige Eigen&#x017F;chaft eben &#x017F;o gut als bey durch-<lb/>
fallendem Lichte &#x017F;ehen.</p><lb/>
            <p>Was &#x017F;ich auch vielleicht gegen des Verfa&#x017F;&#x017F;ers<lb/>
Verfahrungsart bey &#x017F;einen Ver&#x017F;uchen einwenden la&#x0364;ßt;<lb/>
&#x017F;o bleibt doch das Re&#x017F;ultat der&#x017F;elben fu&#x0364;r denjenigen,<lb/>
der &#x017F;ie nachzuahmen und zu vermannigfaltigen weiß,<lb/>
unverru&#x0364;ckt &#x017F;tehen, in welchem &#x017F;ich das ganze Fundament<lb/>
der Fa&#x0364;rberey und Malerey ausdru&#x0364;ckt.</p><lb/>
            <p>Des Verfa&#x017F;&#x017F;ers Vortrag hingegen i&#x017F;t keiner von<lb/>
den glu&#x0364;cklich&#x017F;ten. Seine Ueberzeugung trifft mit der<lb/>
Newtoni&#x017F;chen nicht zu&#x017F;ammen, und doch kann er &#x017F;ich<lb/>
von die&#x017F;er nicht losmachen, &#x017F;o wenig als von der Ter-<lb/>
minologie, wodurch &#x017F;ie &#x017F;ich aus&#x017F;pricht. Man &#x017F;ieht<lb/>
ferner durch &#x017F;eine Deduction wohl den Faden durch,<lb/>
an welchen er &#x017F;ich ha&#x0364;lt, allein er ver&#x017F;chlingt ihn &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
und macht dadurch den Le&#x017F;er verworren.</p><lb/>
            <p>Da er vorzu&#x0364;glich in dem chemi&#x017F;chen Felde arbei-<lb/>
tet, &#x017F;o &#x017F;teht ihm freylich die Vor&#x017F;tellungsart &#x017F;einer<lb/>
Zeit und die damalige Terminologie entgegen, wo das<lb/>
Phlogi&#x017F;ton &#x017F;o wunderbar Wider&#x017F;prechendes wirken<lb/>
&#x017F;ollte. Die Kenntniß der ver&#x017F;chiedenen Luftarten i&#x017F;t<lb/>
auf dem Wege; aber der Verfa&#x017F;&#x017F;er entbehrt noch die<lb/>
großen Vorzu&#x0364;ge der neuern franzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;chen Chemie und<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[634/0668] Auch in Feuchtigkeiten aufgeloͤſte reine Farbeſtoffe, ſo wie farbige Glaͤſer, zeigen, wenn ein dunkler Grund hinter ihnen liegt, keine Farbe, ſondern nur, wenn ein heller hinter ihnen befindlich iſt. Alsdann aber laſſen ſie ihre farbige Eigenſchaft eben ſo gut als bey durch- fallendem Lichte ſehen. Was ſich auch vielleicht gegen des Verfaſſers Verfahrungsart bey ſeinen Verſuchen einwenden laͤßt; ſo bleibt doch das Reſultat derſelben fuͤr denjenigen, der ſie nachzuahmen und zu vermannigfaltigen weiß, unverruͤckt ſtehen, in welchem ſich das ganze Fundament der Faͤrberey und Malerey ausdruͤckt. Des Verfaſſers Vortrag hingegen iſt keiner von den gluͤcklichſten. Seine Ueberzeugung trifft mit der Newtoniſchen nicht zuſammen, und doch kann er ſich von dieſer nicht losmachen, ſo wenig als von der Ter- minologie, wodurch ſie ſich ausſpricht. Man ſieht ferner durch ſeine Deduction wohl den Faden durch, an welchen er ſich haͤlt, allein er verſchlingt ihn ſelbſt und macht dadurch den Leſer verworren. Da er vorzuͤglich in dem chemiſchen Felde arbei- tet, ſo ſteht ihm freylich die Vorſtellungsart ſeiner Zeit und die damalige Terminologie entgegen, wo das Phlogiſton ſo wunderbar Widerſprechendes wirken ſollte. Die Kenntniß der verſchiedenen Luftarten iſt auf dem Wege; aber der Verfaſſer entbehrt noch die großen Vorzuͤge der neuern franzoͤſiſchen Chemie und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/668
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 634. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/668>, abgerufen am 06.05.2024.