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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810.

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"Ich mag diese Hypothese jetzt nicht weitläuftiger
ausführen, und deswegen will ich nur noch das Wah-
re derselben, von dem Wahrscheinlichen abgesondert,
heraussetzen. Wahr ist es: "daß die Lichtstrahlen,
so einfach sie auch seyn mögen, Wärme und Ausdeh-
nung auf der Netzhaut hervorbringen müssen," daß
die Seele diese Ausdehnung empfinden muß. Denn
man erkläre auch die Farben wie man will, so muß
man mir doch allezeit zugeben, daß das, was z. B. die
blaue Farbe erzeugt, nicht heftiger wirken kann, als
die Wärme eines solchen blauen Lichttheilchens wirkt."

Hätte Westfeld statt des Mehr und Minder, wo-
durch doch immer nur eine Abstufung ausgedrückt
wird, von der man nicht weiß wo sie anfangen und
wo sie aufhören soll, seine Meynung als Gegensatz
ausgesprochen, und die Farbenwirkungen als erwär-
mend und erkältend angenommen, so daß die von der
einen Seite die natürliche Wärme der Reting erhöhen,
die von der andern sie vermindern; so wäre nach ihm
diese Ansicht nicht viel mehr zu erweitern gewesen.
Sie gehört in das Capitel von der Wirkung farbiger
Beleuchtung, wo wir theils das Nöthige schon ange-
geben haben, theils werden wir das allenfalls Erfor-
derliche künftig suppliren.


„Ich mag dieſe Hypotheſe jetzt nicht weitlaͤuftiger
ausfuͤhren, und deswegen will ich nur noch das Wah-
re derſelben, von dem Wahrſcheinlichen abgeſondert,
herausſetzen. Wahr iſt es: „daß die Lichtſtrahlen,
ſo einfach ſie auch ſeyn moͤgen, Waͤrme und Ausdeh-
nung auf der Netzhaut hervorbringen muͤſſen,“ daß
die Seele dieſe Ausdehnung empfinden muß. Denn
man erklaͤre auch die Farben wie man will, ſo muß
man mir doch allezeit zugeben, daß das, was z. B. die
blaue Farbe erzeugt, nicht heftiger wirken kann, als
die Waͤrme eines ſolchen blauen Lichttheilchens wirkt.“

Haͤtte Weſtfeld ſtatt des Mehr und Minder, wo-
durch doch immer nur eine Abſtufung ausgedruͤckt
wird, von der man nicht weiß wo ſie anfangen und
wo ſie aufhoͤren ſoll, ſeine Meynung als Gegenſatz
ausgeſprochen, und die Farbenwirkungen als erwaͤr-
mend und erkaͤltend angenommen, ſo daß die von der
einen Seite die natuͤrliche Waͤrme der Reting erhoͤhen,
die von der andern ſie vermindern; ſo waͤre nach ihm
dieſe Anſicht nicht viel mehr zu erweitern geweſen.
Sie gehoͤrt in das Capitel von der Wirkung farbiger
Beleuchtung, wo wir theils das Noͤthige ſchon ange-
geben haben, theils werden wir das allenfalls Erfor-
derliche kuͤnftig ſuppliren.


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[597/0631] „Ich mag dieſe Hypotheſe jetzt nicht weitlaͤuftiger ausfuͤhren, und deswegen will ich nur noch das Wah- re derſelben, von dem Wahrſcheinlichen abgeſondert, herausſetzen. Wahr iſt es: „daß die Lichtſtrahlen, ſo einfach ſie auch ſeyn moͤgen, Waͤrme und Ausdeh- nung auf der Netzhaut hervorbringen muͤſſen,“ daß die Seele dieſe Ausdehnung empfinden muß. Denn man erklaͤre auch die Farben wie man will, ſo muß man mir doch allezeit zugeben, daß das, was z. B. die blaue Farbe erzeugt, nicht heftiger wirken kann, als die Waͤrme eines ſolchen blauen Lichttheilchens wirkt.“ Haͤtte Weſtfeld ſtatt des Mehr und Minder, wo- durch doch immer nur eine Abſtufung ausgedruͤckt wird, von der man nicht weiß wo ſie anfangen und wo ſie aufhoͤren ſoll, ſeine Meynung als Gegenſatz ausgeſprochen, und die Farbenwirkungen als erwaͤr- mend und erkaͤltend angenommen, ſo daß die von der einen Seite die natuͤrliche Waͤrme der Reting erhoͤhen, die von der andern ſie vermindern; ſo waͤre nach ihm dieſe Anſicht nicht viel mehr zu erweitern geweſen. Sie gehoͤrt in das Capitel von der Wirkung farbiger Beleuchtung, wo wir theils das Noͤthige ſchon ange- geben haben, theils werden wir das allenfalls Erfor- derliche kuͤnftig ſuppliren.

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 597. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/631>, abgerufen am 22.11.2024.