tieen und bekleidete solche im Licht mit noch zarteren und helleren Fleischtinten als Quercino. Daher kann man seine in diesem kräftigen Geschmack des Colorits behandelten Bilder als höchste Gipfel desselben betrach- ten. Als nun Guido in der Folge zu einer, jener dunklen kräftigen ganz entgegengesetzten, hellen Art zu malen überging, wo die Gegenstände gleichsam im off- nen Raume und vollen Licht dargestellt sind; so wurde durch ihn die Kunst zu coloriren, wenn schon nicht im Wesentlichen verbessert, doch erweitert. Die herr- schenden silbergrauen Mitteltinten sind zuerst von diesem Künstler eingeführt worden. Francesco Albani, der Zeitgenosse des Guido, mit ihm aus einer Schule her- vorgegangen, malte eben so heiter in offnem Lichte, mit lieblicher blühenden Tinten als sonst irgend ein anderer Künstler der bolognesischen Malerschule aufzu- weisen hat.
Des Domenichino größtes Verdienst lag nicht auf der Seite des Colorits, und wir haben also seiner als eines der größten Künstler hier bloß im Vorbey- gehen zu gedenken. In Fresco malte er heiter, die Schattenfarben spielen etwas ins Grünliche, bilden aber nicht so große vorwaltende Partieen wie bey Quercino und andern.
Hier ist es Zeit, uns zur niederländischen Maler- schule zu wenden, welche in der ersten Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts eben in schöner Blüthe stand, und das Colorit zu einem ihrer Hauptzwecke gemacht
tieen und bekleidete ſolche im Licht mit noch zarteren und helleren Fleiſchtinten als Quercino. Daher kann man ſeine in dieſem kraͤftigen Geſchmack des Colorits behandelten Bilder als hoͤchſte Gipfel deſſelben betrach- ten. Als nun Guido in der Folge zu einer, jener dunklen kraͤftigen ganz entgegengeſetzten, hellen Art zu malen uͤberging, wo die Gegenſtaͤnde gleichſam im off- nen Raume und vollen Licht dargeſtellt ſind; ſo wurde durch ihn die Kunſt zu coloriren, wenn ſchon nicht im Weſentlichen verbeſſert, doch erweitert. Die herr- ſchenden ſilbergrauen Mitteltinten ſind zuerſt von dieſem Kuͤnſtler eingefuͤhrt worden. Francesco Albani, der Zeitgenoſſe des Guido, mit ihm aus einer Schule her- vorgegangen, malte eben ſo heiter in offnem Lichte, mit lieblicher bluͤhenden Tinten als ſonſt irgend ein anderer Kuͤnſtler der bologneſiſchen Malerſchule aufzu- weiſen hat.
Des Domenichino groͤßtes Verdienſt lag nicht auf der Seite des Colorits, und wir haben alſo ſeiner als eines der groͤßten Kuͤnſtler hier bloß im Vorbey- gehen zu gedenken. In Fresco malte er heiter, die Schattenfarben ſpielen etwas ins Gruͤnliche, bilden aber nicht ſo große vorwaltende Partieen wie bey Quercino und andern.
Hier iſt es Zeit, uns zur niederlaͤndiſchen Maler- ſchule zu wenden, welche in der erſten Haͤlfte des ſiebzehnten Jahrhunderts eben in ſchoͤner Bluͤthe ſtand, und das Colorit zu einem ihrer Hauptzwecke gemacht
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tieen und bekleidete ſolche im Licht mit noch zarteren
und helleren Fleiſchtinten als Quercino. Daher kann
man ſeine in dieſem kraͤftigen Geſchmack des Colorits
behandelten Bilder als hoͤchſte Gipfel deſſelben betrach-
ten. Als nun Guido in der Folge zu einer, jener
dunklen kraͤftigen ganz entgegengeſetzten, hellen Art zu
malen uͤberging, wo die Gegenſtaͤnde gleichſam im off-
nen Raume und vollen Licht dargeſtellt ſind; ſo wurde
durch ihn die Kunſt zu coloriren, wenn ſchon nicht
im Weſentlichen verbeſſert, doch erweitert. Die herr-
ſchenden ſilbergrauen Mitteltinten ſind zuerſt von dieſem
Kuͤnſtler eingefuͤhrt worden. Francesco Albani, der
Zeitgenoſſe des Guido, mit ihm aus einer Schule her-
vorgegangen, malte eben ſo heiter in offnem Lichte,
mit lieblicher bluͤhenden Tinten als ſonſt irgend ein
anderer Kuͤnſtler der bologneſiſchen Malerſchule aufzu-
weiſen hat.
Des Domenichino groͤßtes Verdienſt lag nicht
auf der Seite des Colorits, und wir haben alſo ſeiner
als eines der groͤßten Kuͤnſtler hier bloß im Vorbey-
gehen zu gedenken. In Fresco malte er heiter, die
Schattenfarben ſpielen etwas ins Gruͤnliche, bilden
aber nicht ſo große vorwaltende Partieen wie bey
Quercino und andern.
Hier iſt es Zeit, uns zur niederlaͤndiſchen Maler-
ſchule zu wenden, welche in der erſten Haͤlfte des
ſiebzehnten Jahrhunderts eben in ſchoͤner Bluͤthe ſtand,
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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 365. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/399>, abgerufen am 24.11.2024.
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