mit einem über das Ganze verbreiteten, gelblichen Tone zu helfen, und wenn wir nicht irren, so ist Barocci der erste der dieses Hülfsmittel angewendet hat, welches, wie wir im Verfolg sehen werden, später öfters gebraucht worden, um die Harmonie der Far- ben zu ersetzen.
Jacopo Bassano, Tintoret und Paul Veronese, Häupter der venezianischen Schule, folgten der von Giorgione und Tizian eingeführten Weise, zwar nicht als knechtische Nachahmer, doch unterschied sich ihr Colorit auch nicht als eigenthümlich, sondern es muß dasselbe als Nüancirung des allgemeinen Charakters, wodurch die venezianische Schule sich von den übrigen unterscheidet, angesehen werden. Bassano bediente sich, besonders in Gewändern, häufiger der auflasirten Far- ben. In den Gemälden des Paul Veronese wird das heiterste Farbenspiel wahrgenommen, und Tintoret hat vor anderen seiner Landsleute kräftige Schatten ange- wandt.
Nachdem die florentinische Schule einige Zeit den sogenannten manierierten Styl mit unnatürlichen über- triebenen Formen, mattem, vernachläßigten, unange- nehmen Colorit geübt hatte, so traten aus derselben bald wieder verschiedene Künstler auf den Weg der Natur und bemühten sich, vornehmlich dem Colorit bes- sere Eigenschaften zu erwerben. Jacopo Chimenti da Empoli malte seine besten Bilder mit großer Kraft und sehr warmer Farbe. Ludwig Cardi, genannt
mit einem uͤber das Ganze verbreiteten, gelblichen Tone zu helfen, und wenn wir nicht irren, ſo iſt Barocci der erſte der dieſes Huͤlfsmittel angewendet hat, welches, wie wir im Verfolg ſehen werden, ſpaͤter oͤfters gebraucht worden, um die Harmonie der Far- ben zu erſetzen.
Jacopo Baſſano, Tintoret und Paul Veroneſe, Haͤupter der venezianiſchen Schule, folgten der von Giorgione und Tizian eingefuͤhrten Weiſe, zwar nicht als knechtiſche Nachahmer, doch unterſchied ſich ihr Colorit auch nicht als eigenthuͤmlich, ſondern es muß daſſelbe als Nuͤançirung des allgemeinen Charakters, wodurch die venezianiſche Schule ſich von den uͤbrigen unterſcheidet, angeſehen werden. Baſſano bediente ſich, beſonders in Gewaͤndern, haͤufiger der auflaſirten Far- ben. In den Gemaͤlden des Paul Veroneſe wird das heiterſte Farbenſpiel wahrgenommen, und Tintoret hat vor anderen ſeiner Landsleute kraͤftige Schatten ange- wandt.
Nachdem die florentiniſche Schule einige Zeit den ſogenannten manierierten Styl mit unnatuͤrlichen uͤber- triebenen Formen, mattem, vernachlaͤßigten, unange- nehmen Colorit geuͤbt hatte, ſo traten aus derſelben bald wieder verſchiedene Kuͤnſtler auf den Weg der Natur und bemuͤhten ſich, vornehmlich dem Colorit beſ- ſere Eigenſchaften zu erwerben. Jacopo Chimenti da Empoli malte ſeine beſten Bilder mit großer Kraft und ſehr warmer Farbe. Ludwig Cardi, genannt
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mit einem uͤber das Ganze verbreiteten, gelblichen
Tone zu helfen, und wenn wir nicht irren, ſo iſt
Barocci der erſte der dieſes Huͤlfsmittel angewendet
hat, welches, wie wir im Verfolg ſehen werden, ſpaͤter
oͤfters gebraucht worden, um die Harmonie der Far-
ben zu erſetzen.
Jacopo Baſſano, Tintoret und Paul Veroneſe,
Haͤupter der venezianiſchen Schule, folgten der von
Giorgione und Tizian eingefuͤhrten Weiſe, zwar nicht
als knechtiſche Nachahmer, doch unterſchied ſich ihr
Colorit auch nicht als eigenthuͤmlich, ſondern es muß
daſſelbe als Nuͤançirung des allgemeinen Charakters,
wodurch die venezianiſche Schule ſich von den uͤbrigen
unterſcheidet, angeſehen werden. Baſſano bediente ſich,
beſonders in Gewaͤndern, haͤufiger der auflaſirten Far-
ben. In den Gemaͤlden des Paul Veroneſe wird das
heiterſte Farbenſpiel wahrgenommen, und Tintoret hat
vor anderen ſeiner Landsleute kraͤftige Schatten ange-
wandt.
Nachdem die florentiniſche Schule einige Zeit den
ſogenannten manierierten Styl mit unnatuͤrlichen uͤber-
triebenen Formen, mattem, vernachlaͤßigten, unange-
nehmen Colorit geuͤbt hatte, ſo traten aus derſelben
bald wieder verſchiedene Kuͤnſtler auf den Weg der
Natur und bemuͤhten ſich, vornehmlich dem Colorit beſ-
ſere Eigenſchaften zu erwerben. Jacopo Chimenti da
Empoli malte ſeine beſten Bilder mit großer Kraft
und ſehr warmer Farbe. Ludwig Cardi, genannt
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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 362. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/396>, abgerufen am 24.11.2024.
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