im Colorit. Seine Tinten sind von anmuthiger Klar- heit und man bemerkt im Allgemeinen schon die schöne Eigenthümlichkeit der venezianischen Malerschule in ih- rer ersten Entstehung.
Giovanni Bellini that noch etwas mehr Blüthe und Kraft hinzu und war unter den Malern des stren- geren älteren Styls unstreitig der beste Colorist.
Werfen wir nun abermals einen Blick auf die florentinische Malerschule; so sehen wir dort, vom An- drea Verocchio unterrichtet den Pietro Perugino her- vorgehen, der zwar ebenfalls dem alten strengen Styl noch anhing, aber mit blühenderen zarteren Farben malte als irgend einer seiner Vorgänger. Wir dürfen ihn jedoch, da seine Schattenfarben in Oelgemälden grünlich grau und in Arbeiten al Fresco röthlich sind, nur im beschränkten Sinne und bezüglich auf seine Schule, seine nächste Umgebung, nicht aber im Allge- meinen, als einen Verbesserer des Colorits aufführen, weil der erwähnte Johann Bellini, sein Zeitgenosse, ja wahrscheinlich noch um einige Jahre älter als er, ihm in der That überlegen und näher zur Wahrheit ge- langt ist.
Durch Leonardo da Vinci, der ebenfalls aus der Schule des Andrea Verocchio hervorging, erhielt das Colorit mittelbar eine höchst bedeutende Verbesserung. Dieser große Künstler beobachtete nämlich Licht und Schatten mit weit mehr Genauigkeit als zuvor gesche-
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im Colorit. Seine Tinten ſind von anmuthiger Klar- heit und man bemerkt im Allgemeinen ſchon die ſchoͤne Eigenthuͤmlichkeit der venezianiſchen Malerſchule in ih- rer erſten Entſtehung.
Giovanni Bellini that noch etwas mehr Bluͤthe und Kraft hinzu und war unter den Malern des ſtren- geren aͤlteren Styls unſtreitig der beſte Coloriſt.
Werfen wir nun abermals einen Blick auf die florentiniſche Malerſchule; ſo ſehen wir dort, vom An- drea Verocchio unterrichtet den Pietro Perugino her- vorgehen, der zwar ebenfalls dem alten ſtrengen Styl noch anhing, aber mit bluͤhenderen zarteren Farben malte als irgend einer ſeiner Vorgaͤnger. Wir duͤrfen ihn jedoch, da ſeine Schattenfarben in Oelgemaͤlden gruͤnlich grau und in Arbeiten al Fresco roͤthlich ſind, nur im beſchraͤnkten Sinne und bezuͤglich auf ſeine Schule, ſeine naͤchſte Umgebung, nicht aber im Allge- meinen, als einen Verbeſſerer des Colorits auffuͤhren, weil der erwaͤhnte Johann Bellini, ſein Zeitgenoſſe, ja wahrſcheinlich noch um einige Jahre aͤlter als er, ihm in der That uͤberlegen und naͤher zur Wahrheit ge- langt iſt.
Durch Leonardo da Vinci, der ebenfalls aus der Schule des Andrea Verocchio hervorging, erhielt das Colorit mittelbar eine hoͤchſt bedeutende Verbeſſerung. Dieſer große Kuͤnſtler beobachtete naͤmlich Licht und Schatten mit weit mehr Genauigkeit als zuvor geſche-
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im Colorit. Seine Tinten ſind von anmuthiger Klar-
heit und man bemerkt im Allgemeinen ſchon die ſchoͤne
Eigenthuͤmlichkeit der venezianiſchen Malerſchule in ih-
rer erſten Entſtehung.
Giovanni Bellini that noch etwas mehr Bluͤthe
und Kraft hinzu und war unter den Malern des ſtren-
geren aͤlteren Styls unſtreitig der beſte Coloriſt.
Werfen wir nun abermals einen Blick auf die
florentiniſche Malerſchule; ſo ſehen wir dort, vom An-
drea Verocchio unterrichtet den Pietro Perugino her-
vorgehen, der zwar ebenfalls dem alten ſtrengen Styl
noch anhing, aber mit bluͤhenderen zarteren Farben
malte als irgend einer ſeiner Vorgaͤnger. Wir duͤrfen
ihn jedoch, da ſeine Schattenfarben in Oelgemaͤlden
gruͤnlich grau und in Arbeiten al Fresco roͤthlich ſind,
nur im beſchraͤnkten Sinne und bezuͤglich auf ſeine
Schule, ſeine naͤchſte Umgebung, nicht aber im Allge-
meinen, als einen Verbeſſerer des Colorits auffuͤhren,
weil der erwaͤhnte Johann Bellini, ſein Zeitgenoſſe, ja
wahrſcheinlich noch um einige Jahre aͤlter als er, ihm
in der That uͤberlegen und naͤher zur Wahrheit ge-
langt iſt.
Durch Leonardo da Vinci, der ebenfalls aus der
Schule des Andrea Verocchio hervorging, erhielt das
Colorit mittelbar eine hoͤchſt bedeutende Verbeſſerung.
Dieſer große Kuͤnſtler beobachtete naͤmlich Licht und
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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 355. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/389>, abgerufen am 24.11.2024.
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