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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810.

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aber bey den meisten Aerzten und andern gelehrten
Männern, deren Leben und Berufsart nicht erlaubt,
daß sie die eigentlichsten ersten nnd einfachsten Natur-
anfänge gewissenhaft untersuchten; so glaubt' ich wenig
nützliches zu leisten, wenn ich nicht etwas thäte, die
Unzulänglichkeit dieser Hypothesen offenbar zu machen.
Deswegen ich denn zweytens unter meine Versuche
diejenigen in größerer Zahl aufgenommen, welche dir
zeigen mögen, daß ich jener Meynung geneigt bin,
welche behauptet, die Farbe sey eine Modification des
Lichtes; wodurch ich dich anlocken wollen, diese Hy-
pothese weiter auszubilden und dahin zu erheben,
daß du vermittelst derselben die Erzeugung der beson-
dern Farben erklären könnest, wie ich bemüht gewesen,
sie zur Erklärung des Weißen und Schwarzen an-
zuwenden."

V. "Zum Dritten aber, mein Pyrophilus, ob
dieses zwar gegenwärtig die Hypothese ist, die ich
vorziehe, so schlage ich sie doch nur im allgemeinen
Sinne vor, indem ich nur lehre: die Lichtstrahlen wer-
den von den Körpern, woher sie zurückgeworfen oder
gebrochen zum Auge kommen, modificirt und bringen
so jene Empfindung hervor, welche wir Farbe zu
nennen pflegen. Ob aber diese Modification des
Lichts geschehe, indem es mit den Schatten gemischt
wird, oder durch ein verschiedenes Verhältniß der
Bewegung und Rotation der Kügelchen des Cartesins,
oder auf irgend eine andre Weise, dieß unterstehe ich
mich nicht hier auszumachen. Vielweniger unterstehe

aber bey den meiſten Aerzten und andern gelehrten
Maͤnnern, deren Leben und Berufsart nicht erlaubt,
daß ſie die eigentlichſten erſten nnd einfachſten Natur-
anfaͤnge gewiſſenhaft unterſuchten; ſo glaubt’ ich wenig
nuͤtzliches zu leiſten, wenn ich nicht etwas thaͤte, die
Unzulaͤnglichkeit dieſer Hypotheſen offenbar zu machen.
Deswegen ich denn zweytens unter meine Verſuche
diejenigen in groͤßerer Zahl aufgenommen, welche dir
zeigen moͤgen, daß ich jener Meynung geneigt bin,
welche behauptet, die Farbe ſey eine Modification des
Lichtes; wodurch ich dich anlocken wollen, dieſe Hy-
potheſe weiter auszubilden und dahin zu erheben,
daß du vermittelſt derſelben die Erzeugung der beſon-
dern Farben erklaͤren koͤnneſt, wie ich bemuͤht geweſen,
ſie zur Erklaͤrung des Weißen und Schwarzen an-
zuwenden.“

V. „Zum Dritten aber, mein Pyrophilus, ob
dieſes zwar gegenwaͤrtig die Hypotheſe iſt, die ich
vorziehe, ſo ſchlage ich ſie doch nur im allgemeinen
Sinne vor, indem ich nur lehre: die Lichtſtrahlen wer-
den von den Koͤrpern, woher ſie zuruͤckgeworfen oder
gebrochen zum Auge kommen, modificirt und bringen
ſo jene Empfindung hervor, welche wir Farbe zu
nennen pflegen. Ob aber dieſe Modification des
Lichts geſchehe, indem es mit den Schatten gemiſcht
wird, oder durch ein verſchiedenes Verhaͤltniß der
Bewegung und Rotation der Kuͤgelchen des Carteſins,
oder auf irgend eine andre Weiſe, dieß unterſtehe ich
mich nicht hier auszumachen. Vielweniger unterſtehe

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[319/0353] aber bey den meiſten Aerzten und andern gelehrten Maͤnnern, deren Leben und Berufsart nicht erlaubt, daß ſie die eigentlichſten erſten nnd einfachſten Natur- anfaͤnge gewiſſenhaft unterſuchten; ſo glaubt’ ich wenig nuͤtzliches zu leiſten, wenn ich nicht etwas thaͤte, die Unzulaͤnglichkeit dieſer Hypotheſen offenbar zu machen. Deswegen ich denn zweytens unter meine Verſuche diejenigen in groͤßerer Zahl aufgenommen, welche dir zeigen moͤgen, daß ich jener Meynung geneigt bin, welche behauptet, die Farbe ſey eine Modification des Lichtes; wodurch ich dich anlocken wollen, dieſe Hy- potheſe weiter auszubilden und dahin zu erheben, daß du vermittelſt derſelben die Erzeugung der beſon- dern Farben erklaͤren koͤnneſt, wie ich bemuͤht geweſen, ſie zur Erklaͤrung des Weißen und Schwarzen an- zuwenden.“ V. „Zum Dritten aber, mein Pyrophilus, ob dieſes zwar gegenwaͤrtig die Hypotheſe iſt, die ich vorziehe, ſo ſchlage ich ſie doch nur im allgemeinen Sinne vor, indem ich nur lehre: die Lichtſtrahlen wer- den von den Koͤrpern, woher ſie zuruͤckgeworfen oder gebrochen zum Auge kommen, modificirt und bringen ſo jene Empfindung hervor, welche wir Farbe zu nennen pflegen. Ob aber dieſe Modification des Lichts geſchehe, indem es mit den Schatten gemiſcht wird, oder durch ein verſchiedenes Verhaͤltniß der Bewegung und Rotation der Kuͤgelchen des Carteſins, oder auf irgend eine andre Weiſe, dieß unterſtehe ich mich nicht hier auszumachen. Vielweniger unterſtehe

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 319. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/353>, abgerufen am 06.05.2024.