Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810.

Bild:
<< vorherige Seite

tischen Falle, wovon er spricht, mag er zwar in ge-
wissem Sinne Recht haben: denn die Farben entstehen
nicht aus dem einigermaßen Düstern des Prismas,
sondern an dem zugleich gewirkten Doppelbilde. Hat
man aber die Lehre vom Trüben recht inne; so sieht
man, wie das, was man allenfalls auch düster nennen
könnte, nämlich das nicht vollkommen Durchsichtige,
das Licht bedingen kann, farbig zu erscheinen.

Fünfter Artikel. Daß das Licht, indem es
sich in Farbe verwandelt, seine Natur nicht verändere.
Hier wiederhohlt er nur die Behauptung: die Farben
seyen bloß geschwächte Lichter.

Sechster Artikel. Welche Art von Schwä-
chung das Licht in Farbe verwandle. Durch ein Gleich-
niß vom Ton hergenommen unterscheidet er zwey Ar-
ten der Schwächung des Lichtes: die erste vergleicht er
einem Ton, der durch die Entfernung geschwächt wird,
und das ist nun seine dritte Art Licht; die zweyte ver-
gleicht er einem Ton, der von der Tiefe zur Höhe
übergeht und durch diese Veränderung schwächer wird,
dieses ist nun seine vierte Art Licht, nämlich die Far-
be. Die erste Art möchte man eine quantitative und
die zweyte eine qualitative nennen, und dem Verfasser
eine Annährung an das Rechte nicht ablängnen. Am
Ende, nachdem er die Sache weitläuftig auseinander
gesetzt, zieht er den Schluß, daß die Farben nur ge-
schwächte Lichter seyn können, weil sie nicht mehr die
Lebhaftigkeit haben, welche das Licht besaß, woraus sie

tiſchen Falle, wovon er ſpricht, mag er zwar in ge-
wiſſem Sinne Recht haben: denn die Farben entſtehen
nicht aus dem einigermaßen Duͤſtern des Prismas,
ſondern an dem zugleich gewirkten Doppelbilde. Hat
man aber die Lehre vom Truͤben recht inne; ſo ſieht
man, wie das, was man allenfalls auch duͤſter nennen
koͤnnte, naͤmlich das nicht vollkommen Durchſichtige,
das Licht bedingen kann, farbig zu erſcheinen.

Fuͤnfter Artikel. Daß das Licht, indem es
ſich in Farbe verwandelt, ſeine Natur nicht veraͤndere.
Hier wiederhohlt er nur die Behauptung: die Farben
ſeyen bloß geſchwaͤchte Lichter.

Sechſter Artikel. Welche Art von Schwaͤ-
chung das Licht in Farbe verwandle. Durch ein Gleich-
niß vom Ton hergenommen unterſcheidet er zwey Ar-
ten der Schwaͤchung des Lichtes: die erſte vergleicht er
einem Ton, der durch die Entfernung geſchwaͤcht wird,
und das iſt nun ſeine dritte Art Licht; die zweyte ver-
gleicht er einem Ton, der von der Tiefe zur Hoͤhe
uͤbergeht und durch dieſe Veraͤnderung ſchwaͤcher wird,
dieſes iſt nun ſeine vierte Art Licht, naͤmlich die Far-
be. Die erſte Art moͤchte man eine quantitative und
die zweyte eine qualitative nennen, und dem Verfaſſer
eine Annaͤhrung an das Rechte nicht ablaͤngnen. Am
Ende, nachdem er die Sache weitlaͤuftig auseinander
geſetzt, zieht er den Schluß, daß die Farben nur ge-
ſchwaͤchte Lichter ſeyn koͤnnen, weil ſie nicht mehr die
Lebhaftigkeit haben, welche das Licht beſaß, woraus ſie

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0326" n="292"/>
ti&#x017F;chen Falle, wovon er &#x017F;pricht, mag er zwar in ge-<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;em Sinne Recht haben: denn die Farben ent&#x017F;tehen<lb/>
nicht aus dem einigermaßen Du&#x0364;&#x017F;tern des Prismas,<lb/>
&#x017F;ondern an dem zugleich gewirkten Doppelbilde. Hat<lb/>
man aber die Lehre vom Tru&#x0364;ben recht inne; &#x017F;o &#x017F;ieht<lb/>
man, wie das, was man allenfalls auch du&#x0364;&#x017F;ter nennen<lb/>
ko&#x0364;nnte, na&#x0364;mlich das nicht vollkommen Durch&#x017F;ichtige,<lb/>
das Licht bedingen kann, farbig zu er&#x017F;cheinen.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#g">Fu&#x0364;nfter Artikel</hi>. Daß das Licht, indem es<lb/>
&#x017F;ich in Farbe verwandelt, &#x017F;eine Natur nicht vera&#x0364;ndere.<lb/>
Hier wiederhohlt er nur die Behauptung: die Farben<lb/>
&#x017F;eyen bloß ge&#x017F;chwa&#x0364;chte Lichter.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#g">Sech&#x017F;ter Artikel</hi>. Welche Art von Schwa&#x0364;-<lb/>
chung das Licht in Farbe verwandle. Durch ein Gleich-<lb/>
niß vom Ton hergenommen unter&#x017F;cheidet er zwey Ar-<lb/>
ten der Schwa&#x0364;chung des Lichtes: die er&#x017F;te vergleicht er<lb/>
einem Ton, der durch die Entfernung ge&#x017F;chwa&#x0364;cht wird,<lb/>
und das i&#x017F;t nun &#x017F;eine dritte Art Licht; die zweyte ver-<lb/>
gleicht er einem Ton, der von der Tiefe zur Ho&#x0364;he<lb/>
u&#x0364;bergeht und durch die&#x017F;e Vera&#x0364;nderung &#x017F;chwa&#x0364;cher wird,<lb/>
die&#x017F;es i&#x017F;t nun &#x017F;eine vierte Art Licht, na&#x0364;mlich die Far-<lb/>
be. Die er&#x017F;te Art mo&#x0364;chte man eine quantitative und<lb/>
die zweyte eine qualitative nennen, und dem Verfa&#x017F;&#x017F;er<lb/>
eine Anna&#x0364;hrung an das Rechte nicht abla&#x0364;ngnen. Am<lb/>
Ende, nachdem er die Sache weitla&#x0364;uftig auseinander<lb/>
ge&#x017F;etzt, zieht er den Schluß, daß die Farben nur ge-<lb/>
&#x017F;chwa&#x0364;chte Lichter &#x017F;eyn ko&#x0364;nnen, weil &#x017F;ie nicht mehr die<lb/>
Lebhaftigkeit haben, welche das Licht be&#x017F;aß, woraus &#x017F;ie<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[292/0326] tiſchen Falle, wovon er ſpricht, mag er zwar in ge- wiſſem Sinne Recht haben: denn die Farben entſtehen nicht aus dem einigermaßen Duͤſtern des Prismas, ſondern an dem zugleich gewirkten Doppelbilde. Hat man aber die Lehre vom Truͤben recht inne; ſo ſieht man, wie das, was man allenfalls auch duͤſter nennen koͤnnte, naͤmlich das nicht vollkommen Durchſichtige, das Licht bedingen kann, farbig zu erſcheinen. Fuͤnfter Artikel. Daß das Licht, indem es ſich in Farbe verwandelt, ſeine Natur nicht veraͤndere. Hier wiederhohlt er nur die Behauptung: die Farben ſeyen bloß geſchwaͤchte Lichter. Sechſter Artikel. Welche Art von Schwaͤ- chung das Licht in Farbe verwandle. Durch ein Gleich- niß vom Ton hergenommen unterſcheidet er zwey Ar- ten der Schwaͤchung des Lichtes: die erſte vergleicht er einem Ton, der durch die Entfernung geſchwaͤcht wird, und das iſt nun ſeine dritte Art Licht; die zweyte ver- gleicht er einem Ton, der von der Tiefe zur Hoͤhe uͤbergeht und durch dieſe Veraͤnderung ſchwaͤcher wird, dieſes iſt nun ſeine vierte Art Licht, naͤmlich die Far- be. Die erſte Art moͤchte man eine quantitative und die zweyte eine qualitative nennen, und dem Verfaſſer eine Annaͤhrung an das Rechte nicht ablaͤngnen. Am Ende, nachdem er die Sache weitlaͤuftig auseinander geſetzt, zieht er den Schluß, daß die Farben nur ge- ſchwaͤchte Lichter ſeyn koͤnnen, weil ſie nicht mehr die Lebhaftigkeit haben, welche das Licht beſaß, woraus ſie

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/326
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 292. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/326>, abgerufen am 27.04.2024.