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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810.

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als gemeiner Körper, der nun Theile aller Art ent-
halten
, auf das verschiedenste und wunderlichste ge-
mischt, und ungeachtet seiner anscheinenden Einfalt
als ein heterogenes Wesen angesehen werden konnte.
Dieß ist der Gang, den von nun an die Theorie nimmt,
und die wir in der Newtonischen Lehre auf ihrem
höchsten Puncte finden.

Jene frühere Erklärungsart aber, die wir durch
Kirchern umständlicher kennen gelernt, geht neben der
neuern bis zu Ende des Jahrhunderts immer parallel
fort, bildet sich immer mehr und mehr aus und tritt
noch einmal zuletzt ganz deutlich in Nuguet hervor,
wird aber von der Newtonischen völlig verdrängt, nach-
dem sie vorher durch Boyle bey Seite geschoben war.

De la Chambre selbst erscheint uns als ein Mann
von sehr schwachen Kräften: es ist weder Tiefe in seinen
Conceptionen, noch Scharfsinn in seinen Controversen.
Er nimmt vier Arten Licht in der Natur an; die erste
sey das innere, radicale, gewissen Körpern wesentliche,
das Licht der Sonne, der Sterne, des Feuers; das
andre ein äußeres, abgeleitetes, vorübergehendes, das
Licht der von jenen Körpern erleuchteten Gegenstände.
Nun gibt es, nach seiner Lehre, noch andre Lichter, die
vermindert und geschwächt sind und nur einige Theile
jener Vollkommenheit besitzen, das sind die Farben.
Man sieht also, daß von einer Seite eine Bedingung
zugegeben werden muß, die das Licht schwächt, und
daß man von der andern wieder dem Lichte eine Eigen-

als gemeiner Koͤrper, der nun Theile aller Art ent-
halten
, auf das verſchiedenſte und wunderlichſte ge-
miſcht, und ungeachtet ſeiner anſcheinenden Einfalt
als ein heterogenes Weſen angeſehen werden konnte.
Dieß iſt der Gang, den von nun an die Theorie nimmt,
und die wir in der Newtoniſchen Lehre auf ihrem
hoͤchſten Puncte finden.

Jene fruͤhere Erklaͤrungsart aber, die wir durch
Kirchern umſtaͤndlicher kennen gelernt, geht neben der
neuern bis zu Ende des Jahrhunderts immer parallel
fort, bildet ſich immer mehr und mehr aus und tritt
noch einmal zuletzt ganz deutlich in Nuguet hervor,
wird aber von der Newtoniſchen voͤllig verdraͤngt, nach-
dem ſie vorher durch Boyle bey Seite geſchoben war.

De la Chambre ſelbſt erſcheint uns als ein Mann
von ſehr ſchwachen Kraͤften: es iſt weder Tiefe in ſeinen
Conceptionen, noch Scharfſinn in ſeinen Controverſen.
Er nimmt vier Arten Licht in der Natur an; die erſte
ſey das innere, radicale, gewiſſen Koͤrpern weſentliche,
das Licht der Sonne, der Sterne, des Feuers; das
andre ein aͤußeres, abgeleitetes, voruͤbergehendes, das
Licht der von jenen Koͤrpern erleuchteten Gegenſtaͤnde.
Nun gibt es, nach ſeiner Lehre, noch andre Lichter, die
vermindert und geſchwaͤcht ſind und nur einige Theile
jener Vollkommenheit beſitzen, das ſind die Farben.
Man ſieht alſo, daß von einer Seite eine Bedingung
zugegeben werden muß, die das Licht ſchwaͤcht, und
daß man von der andern wieder dem Lichte eine Eigen-

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[290/0324] als gemeiner Koͤrper, der nun Theile aller Art ent- halten, auf das verſchiedenſte und wunderlichſte ge- miſcht, und ungeachtet ſeiner anſcheinenden Einfalt als ein heterogenes Weſen angeſehen werden konnte. Dieß iſt der Gang, den von nun an die Theorie nimmt, und die wir in der Newtoniſchen Lehre auf ihrem hoͤchſten Puncte finden. Jene fruͤhere Erklaͤrungsart aber, die wir durch Kirchern umſtaͤndlicher kennen gelernt, geht neben der neuern bis zu Ende des Jahrhunderts immer parallel fort, bildet ſich immer mehr und mehr aus und tritt noch einmal zuletzt ganz deutlich in Nuguet hervor, wird aber von der Newtoniſchen voͤllig verdraͤngt, nach- dem ſie vorher durch Boyle bey Seite geſchoben war. De la Chambre ſelbſt erſcheint uns als ein Mann von ſehr ſchwachen Kraͤften: es iſt weder Tiefe in ſeinen Conceptionen, noch Scharfſinn in ſeinen Controverſen. Er nimmt vier Arten Licht in der Natur an; die erſte ſey das innere, radicale, gewiſſen Koͤrpern weſentliche, das Licht der Sonne, der Sterne, des Feuers; das andre ein aͤußeres, abgeleitetes, voruͤbergehendes, das Licht der von jenen Koͤrpern erleuchteten Gegenſtaͤnde. Nun gibt es, nach ſeiner Lehre, noch andre Lichter, die vermindert und geſchwaͤcht ſind und nur einige Theile jener Vollkommenheit beſitzen, das ſind die Farben. Man ſieht alſo, daß von einer Seite eine Bedingung zugegeben werden muß, die das Licht ſchwaͤcht, und daß man von der andern wieder dem Lichte eine Eigen-

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 290. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/324>, abgerufen am 28.04.2024.