ein Friedensbote, ein Götterbote überhaupt; an- dern, weniger Form bedürfenden Nationen, ein Friedenszeichen.
Die übrigen atmosphärischen Farbenerscheinun- gen, allgemein, weit ausgebreitet, immer wiederkeh- rend, waren nicht gleich auffallend. Die Morgen- röthe nur noch erschien gestaltet.
Was wir überall und immer um uns sehen, das schauen und genießen wir wohl, aber wir beobachten es kaum, wir denken nicht darüber. Und wirklich entzog sich die Farbe, die alles Sichtbare bekleidet, selbst bey gebildeteren Völkern gewissermaßen der Betrachtung. Destomehr Gebrauch suchte man von den Farben zu machen, indem sich färbende Stoffe überall vorfanden. Das Erfreuliche des Farbigen, Bunten, wurde gleich gefühlt; und da die Zierde des Menschen erstes Bedürfniß zu seyn scheint und ihm fast über das Nothwendige geht, so war die Anwendung der Farben auf den nackten Körper und zu Gewändern hald im Gebrauch.
Nirgends fehlte das Material zum Färben. Die Fruchtsäfte, fast jede Feuchtigkeit außer dem reinen Wasser, das Blut der Thiere, alles ist gefärbt; so
ein Friedensbote, ein Goͤtterbote uͤberhaupt; an- dern, weniger Form beduͤrfenden Nationen, ein Friedenszeichen.
Die uͤbrigen atmoſphaͤriſchen Farbenerſcheinun- gen, allgemein, weit ausgebreitet, immer wiederkeh- rend, waren nicht gleich auffallend. Die Morgen- roͤthe nur noch erſchien geſtaltet.
Was wir uͤberall und immer um uns ſehen, das ſchauen und genießen wir wohl, aber wir beobachten es kaum, wir denken nicht daruͤber. Und wirklich entzog ſich die Farbe, die alles Sichtbare bekleidet, ſelbſt bey gebildeteren Voͤlkern gewiſſermaßen der Betrachtung. Deſtomehr Gebrauch ſuchte man von den Farben zu machen, indem ſich faͤrbende Stoffe uͤberall vorfanden. Das Erfreuliche des Farbigen, Bunten, wurde gleich gefuͤhlt; und da die Zierde des Menſchen erſtes Beduͤrfniß zu ſeyn ſcheint und ihm faſt uͤber das Nothwendige geht, ſo war die Anwendung der Farben auf den nackten Koͤrper und zu Gewaͤndern hald im Gebrauch.
Nirgends fehlte das Material zum Faͤrben. Die Fruchtſaͤfte, faſt jede Feuchtigkeit außer dem reinen Waſſer, das Blut der Thiere, alles iſt gefaͤrbt; ſo
<TEI><text><front><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0030"n="XXIV"/>
ein Friedensbote, ein Goͤtterbote uͤberhaupt; an-<lb/>
dern, weniger Form beduͤrfenden Nationen, ein<lb/>
Friedenszeichen.</p><lb/><p>Die uͤbrigen atmoſphaͤriſchen Farbenerſcheinun-<lb/>
gen, allgemein, weit ausgebreitet, immer wiederkeh-<lb/>
rend, waren nicht gleich auffallend. Die Morgen-<lb/>
roͤthe nur noch erſchien geſtaltet.</p><lb/><p>Was wir uͤberall und immer um uns ſehen, das<lb/>ſchauen und genießen wir wohl, aber wir beobachten<lb/>
es kaum, wir denken nicht daruͤber. Und wirklich<lb/>
entzog ſich die Farbe, die alles Sichtbare bekleidet,<lb/>ſelbſt bey gebildeteren Voͤlkern gewiſſermaßen der<lb/>
Betrachtung. Deſtomehr Gebrauch ſuchte man von<lb/>
den Farben zu machen, indem ſich faͤrbende Stoffe<lb/>
uͤberall vorfanden. Das Erfreuliche des Farbigen,<lb/>
Bunten, wurde gleich gefuͤhlt; und da die Zierde<lb/>
des Menſchen erſtes Beduͤrfniß zu ſeyn ſcheint und<lb/>
ihm faſt uͤber das Nothwendige geht, ſo war die<lb/>
Anwendung der Farben auf den nackten Koͤrper<lb/>
und zu Gewaͤndern hald im Gebrauch.</p><lb/><p>Nirgends fehlte das Material zum Faͤrben. Die<lb/>
Fruchtſaͤfte, faſt jede Feuchtigkeit außer dem reinen<lb/>
Waſſer, das Blut der Thiere, alles iſt gefaͤrbt; ſo<lb/></p></div></div></front></text></TEI>
[XXIV/0030]
ein Friedensbote, ein Goͤtterbote uͤberhaupt; an-
dern, weniger Form beduͤrfenden Nationen, ein
Friedenszeichen.
Die uͤbrigen atmoſphaͤriſchen Farbenerſcheinun-
gen, allgemein, weit ausgebreitet, immer wiederkeh-
rend, waren nicht gleich auffallend. Die Morgen-
roͤthe nur noch erſchien geſtaltet.
Was wir uͤberall und immer um uns ſehen, das
ſchauen und genießen wir wohl, aber wir beobachten
es kaum, wir denken nicht daruͤber. Und wirklich
entzog ſich die Farbe, die alles Sichtbare bekleidet,
ſelbſt bey gebildeteren Voͤlkern gewiſſermaßen der
Betrachtung. Deſtomehr Gebrauch ſuchte man von
den Farben zu machen, indem ſich faͤrbende Stoffe
uͤberall vorfanden. Das Erfreuliche des Farbigen,
Bunten, wurde gleich gefuͤhlt; und da die Zierde
des Menſchen erſtes Beduͤrfniß zu ſeyn ſcheint und
ihm faſt uͤber das Nothwendige geht, ſo war die
Anwendung der Farben auf den nackten Koͤrper
und zu Gewaͤndern hald im Gebrauch.
Nirgends fehlte das Material zum Faͤrben. Die
Fruchtſaͤfte, faſt jede Feuchtigkeit außer dem reinen
Waſſer, das Blut der Thiere, alles iſt gefaͤrbt; ſo
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. XXIV. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/30>, abgerufen am 18.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.