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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810.

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ein Friedensbote, ein Götterbote überhaupt; an-
dern, weniger Form bedürfenden Nationen, ein
Friedenszeichen.

Die übrigen atmosphärischen Farbenerscheinun-
gen, allgemein, weit ausgebreitet, immer wiederkeh-
rend, waren nicht gleich auffallend. Die Morgen-
röthe nur noch erschien gestaltet.

Was wir überall und immer um uns sehen, das
schauen und genießen wir wohl, aber wir beobachten
es kaum, wir denken nicht darüber. Und wirklich
entzog sich die Farbe, die alles Sichtbare bekleidet,
selbst bey gebildeteren Völkern gewissermaßen der
Betrachtung. Destomehr Gebrauch suchte man von
den Farben zu machen, indem sich färbende Stoffe
überall vorfanden. Das Erfreuliche des Farbigen,
Bunten, wurde gleich gefühlt; und da die Zierde
des Menschen erstes Bedürfniß zu seyn scheint und
ihm fast über das Nothwendige geht, so war die
Anwendung der Farben auf den nackten Körper
und zu Gewändern hald im Gebrauch.

Nirgends fehlte das Material zum Färben. Die
Fruchtsäfte, fast jede Feuchtigkeit außer dem reinen
Wasser, das Blut der Thiere, alles ist gefärbt; so

ein Friedensbote, ein Goͤtterbote uͤberhaupt; an-
dern, weniger Form beduͤrfenden Nationen, ein
Friedenszeichen.

Die uͤbrigen atmoſphaͤriſchen Farbenerſcheinun-
gen, allgemein, weit ausgebreitet, immer wiederkeh-
rend, waren nicht gleich auffallend. Die Morgen-
roͤthe nur noch erſchien geſtaltet.

Was wir uͤberall und immer um uns ſehen, das
ſchauen und genießen wir wohl, aber wir beobachten
es kaum, wir denken nicht daruͤber. Und wirklich
entzog ſich die Farbe, die alles Sichtbare bekleidet,
ſelbſt bey gebildeteren Voͤlkern gewiſſermaßen der
Betrachtung. Deſtomehr Gebrauch ſuchte man von
den Farben zu machen, indem ſich faͤrbende Stoffe
uͤberall vorfanden. Das Erfreuliche des Farbigen,
Bunten, wurde gleich gefuͤhlt; und da die Zierde
des Menſchen erſtes Beduͤrfniß zu ſeyn ſcheint und
ihm faſt uͤber das Nothwendige geht, ſo war die
Anwendung der Farben auf den nackten Koͤrper
und zu Gewaͤndern hald im Gebrauch.

Nirgends fehlte das Material zum Faͤrben. Die
Fruchtſaͤfte, faſt jede Feuchtigkeit außer dem reinen
Waſſer, das Blut der Thiere, alles iſt gefaͤrbt; ſo

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[XXIV/0030] ein Friedensbote, ein Goͤtterbote uͤberhaupt; an- dern, weniger Form beduͤrfenden Nationen, ein Friedenszeichen. Die uͤbrigen atmoſphaͤriſchen Farbenerſcheinun- gen, allgemein, weit ausgebreitet, immer wiederkeh- rend, waren nicht gleich auffallend. Die Morgen- roͤthe nur noch erſchien geſtaltet. Was wir uͤberall und immer um uns ſehen, das ſchauen und genießen wir wohl, aber wir beobachten es kaum, wir denken nicht daruͤber. Und wirklich entzog ſich die Farbe, die alles Sichtbare bekleidet, ſelbſt bey gebildeteren Voͤlkern gewiſſermaßen der Betrachtung. Deſtomehr Gebrauch ſuchte man von den Farben zu machen, indem ſich faͤrbende Stoffe uͤberall vorfanden. Das Erfreuliche des Farbigen, Bunten, wurde gleich gefuͤhlt; und da die Zierde des Menſchen erſtes Beduͤrfniß zu ſeyn ſcheint und ihm faſt uͤber das Nothwendige geht, ſo war die Anwendung der Farben auf den nackten Koͤrper und zu Gewaͤndern hald im Gebrauch. Nirgends fehlte das Material zum Faͤrben. Die Fruchtſaͤfte, faſt jede Feuchtigkeit außer dem reinen Waſſer, das Blut der Thiere, alles iſt gefaͤrbt; ſo

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. XXIV. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/30>, abgerufen am 25.04.2024.