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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810.

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Antonius Thylesius.

Als uns in der Epoche der erneuerten Wissenschaf-
ten vorstehendes kleines Buch freundlich begegnete, war
es uns eine angenehme Erscheinung, um so mehr, als
es sich jenem des Aristoteles an die Seite und in ge-
wissem Sinne entgegen stellte. Wir gedachten es zu
übersetzen, fanden aber bald, daß man in einer Spra-
che nicht die Etymologie der andern behandeln könne,
und so entschlossen wir uns, es in der Urschrift wieder
abdrucken zu lassen. Es ist zwar nicht selten, indem
es öfter anderen größeren und kleineren Schriften bey-
gefügt worden, jedoch einzeln nicht immer zur Hand,
und so glaubten wir es um so mehr einschalten zu dür-
fen, als uns aus demselben das Gefühl einer freyen
und heitern Zeit entgegenkommt, und die Tugenden
des Verfassers wohl verdienen, daß ihre Wirkungen
nochmals vervielfältigt werden.

Antonius Thylesius war zu Cosenza geboren,
einer Stadt, die an der Cultur des untern Italien
schon früher Theil nahm. In dem ersten Viertel des
sechszehnten Jahrhunderts war er Professor zu Mai-
land. Er gehört unter diejenigen, welche man in der
Literargeschichte als Philologen, Redner und Poeten
zugleich gerühmt findet. Ein gründliches und doch li-
berales Studium der Alten regte in solchen Männern
die eigene Productivität auf, und wenn sie auch ei-

Antonius Thyleſius.

Als uns in der Epoche der erneuerten Wiſſenſchaf-
ten vorſtehendes kleines Buch freundlich begegnete, war
es uns eine angenehme Erſcheinung, um ſo mehr, als
es ſich jenem des Ariſtoteles an die Seite und in ge-
wiſſem Sinne entgegen ſtellte. Wir gedachten es zu
uͤberſetzen, fanden aber bald, daß man in einer Spra-
che nicht die Etymologie der andern behandeln koͤnne,
und ſo entſchloſſen wir uns, es in der Urſchrift wieder
abdrucken zu laſſen. Es iſt zwar nicht ſelten, indem
es oͤfter anderen groͤßeren und kleineren Schriften bey-
gefuͤgt worden, jedoch einzeln nicht immer zur Hand,
und ſo glaubten wir es um ſo mehr einſchalten zu duͤr-
fen, als uns aus demſelben das Gefuͤhl einer freyen
und heitern Zeit entgegenkommt, und die Tugenden
des Verfaſſers wohl verdienen, daß ihre Wirkungen
nochmals vervielfaͤltigt werden.

Antonius Thyleſius war zu Coſenza geboren,
einer Stadt, die an der Cultur des untern Italien
ſchon fruͤher Theil nahm. In dem erſten Viertel des
ſechszehnten Jahrhunderts war er Profeſſor zu Mai-
land. Er gehoͤrt unter diejenigen, welche man in der
Literargeſchichte als Philologen, Redner und Poeten
zugleich geruͤhmt findet. Ein gruͤndliches und doch li-
berales Studium der Alten regte in ſolchen Maͤnnern
die eigene Productivitaͤt auf, und wenn ſie auch ei-

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[194/0228] Antonius Thyleſius. Als uns in der Epoche der erneuerten Wiſſenſchaf- ten vorſtehendes kleines Buch freundlich begegnete, war es uns eine angenehme Erſcheinung, um ſo mehr, als es ſich jenem des Ariſtoteles an die Seite und in ge- wiſſem Sinne entgegen ſtellte. Wir gedachten es zu uͤberſetzen, fanden aber bald, daß man in einer Spra- che nicht die Etymologie der andern behandeln koͤnne, und ſo entſchloſſen wir uns, es in der Urſchrift wieder abdrucken zu laſſen. Es iſt zwar nicht ſelten, indem es oͤfter anderen groͤßeren und kleineren Schriften bey- gefuͤgt worden, jedoch einzeln nicht immer zur Hand, und ſo glaubten wir es um ſo mehr einſchalten zu duͤr- fen, als uns aus demſelben das Gefuͤhl einer freyen und heitern Zeit entgegenkommt, und die Tugenden des Verfaſſers wohl verdienen, daß ihre Wirkungen nochmals vervielfaͤltigt werden. Antonius Thyleſius war zu Coſenza geboren, einer Stadt, die an der Cultur des untern Italien ſchon fruͤher Theil nahm. In dem erſten Viertel des ſechszehnten Jahrhunderts war er Profeſſor zu Mai- land. Er gehoͤrt unter diejenigen, welche man in der Literargeſchichte als Philologen, Redner und Poeten zugleich geruͤhmt findet. Ein gruͤndliches und doch li- berales Studium der Alten regte in ſolchen Maͤnnern die eigene Productivitaͤt auf, und wenn ſie auch ei-

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/228>, abgerufen am 28.03.2024.