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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810.

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nur um ihm eine Form zu geben, und an dasje-
nige, was eigentlich zur letzten besten Zierde ge-
reicht, daran pflegt man zu Anfang einer Bauan-
stalt am wenigsten zu denken.

Wir haben Auszüge geliefert und fanden uns
hiezu durch mehrere Ursachen bewogen. Die Bü-
cher, welche hier zu Rathe gezogen werden mußten,
sind selten zu haben, wo nicht in großen Städten
und wohlausgestatteten Bibliotheken, doch gewiß
an manchen mittlern und kleinen Orten, von deren
theilnehmenden Bewohnern und Lehrern wir unsre
Arbeit geprüft und genutzt wünschten. Deshalb
sollte dieser Band eine Art Archiv werden, in wel-
chem niedergelegt wäre, was die vorzüglichsten
Männer, welche sich mit der Farbenlehre befaßt,
darüber ausgesprochen.

Auch trat noch eine besondre Betrachtung ein,
welche sowohl hier als in der Geschichte der Wissen-
schaften überhaupt gilt. Es ist äußerst schwer,
fremde Meynungen zu referiren, besonders wenn
sie sich nachbarlich annähern, kreuzen und decken.
Ist der Referent umständlich, so erregt er Unge-
duld und lange Weile; will er sich zusammenfassen,
so kommt er in Gefahr, seine Ansicht für die

nur um ihm eine Form zu geben, und an dasje-
nige, was eigentlich zur letzten beſten Zierde ge-
reicht, daran pflegt man zu Anfang einer Bauan-
ſtalt am wenigſten zu denken.

Wir haben Auszuͤge geliefert und fanden uns
hiezu durch mehrere Urſachen bewogen. Die Buͤ-
cher, welche hier zu Rathe gezogen werden mußten,
ſind ſelten zu haben, wo nicht in großen Staͤdten
und wohlausgeſtatteten Bibliotheken, doch gewiß
an manchen mittlern und kleinen Orten, von deren
theilnehmenden Bewohnern und Lehrern wir unſre
Arbeit gepruͤft und genutzt wuͤnſchten. Deshalb
ſollte dieſer Band eine Art Archiv werden, in wel-
chem niedergelegt waͤre, was die vorzuͤglichſten
Maͤnner, welche ſich mit der Farbenlehre befaßt,
daruͤber ausgeſprochen.

Auch trat noch eine beſondre Betrachtung ein,
welche ſowohl hier als in der Geſchichte der Wiſſen-
ſchaften uͤberhaupt gilt. Es iſt aͤußerſt ſchwer,
fremde Meynungen zu referiren, beſonders wenn
ſie ſich nachbarlich annaͤhern, kreuzen und decken.
Iſt der Referent umſtaͤndlich, ſo erregt er Unge-
duld und lange Weile; will er ſich zuſammenfaſſen,
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[VII/0013] nur um ihm eine Form zu geben, und an dasje- nige, was eigentlich zur letzten beſten Zierde ge- reicht, daran pflegt man zu Anfang einer Bauan- ſtalt am wenigſten zu denken. Wir haben Auszuͤge geliefert und fanden uns hiezu durch mehrere Urſachen bewogen. Die Buͤ- cher, welche hier zu Rathe gezogen werden mußten, ſind ſelten zu haben, wo nicht in großen Staͤdten und wohlausgeſtatteten Bibliotheken, doch gewiß an manchen mittlern und kleinen Orten, von deren theilnehmenden Bewohnern und Lehrern wir unſre Arbeit gepruͤft und genutzt wuͤnſchten. Deshalb ſollte dieſer Band eine Art Archiv werden, in wel- chem niedergelegt waͤre, was die vorzuͤglichſten Maͤnner, welche ſich mit der Farbenlehre befaßt, daruͤber ausgeſprochen. Auch trat noch eine beſondre Betrachtung ein, welche ſowohl hier als in der Geſchichte der Wiſſen- ſchaften uͤberhaupt gilt. Es iſt aͤußerſt ſchwer, fremde Meynungen zu referiren, beſonders wenn ſie ſich nachbarlich annaͤhern, kreuzen und decken. Iſt der Referent umſtaͤndlich, ſo erregt er Unge- duld und lange Weile; will er ſich zuſammenfaſſen, ſo kommt er in Gefahr, ſeine Anſicht fuͤr die

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. VII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/13>, abgerufen am 28.03.2024.