daß andere ihre Deutung und Erläuterung aus mei- ner Arbeit gewinnen können, und daß dabey der Ver- fasser in mehreren Stellen mit lebhafter Ueberzeugung und wahrem Gefühle mir selbst auf meinem Gange vorgeschritten ist. Möge sein schönes Talent praktisch bethätigen, wovon wir uns beyde überzeugt halten, und möchten wir bey fortgesetzter Betrachtung und Aus- übung mehrere gewogene Mitarbeiter finden.
Wollgast den 3. Julii 1806.
Nach einer kleinen Wanderung, die ich durch un- sere anmuthige Insel Rügen gemacht hatte, wo der stille Ernst des Meeres von den freundlichen Halbinseln und Thälern, Hügeln und Felsen, auf mannigfaltige Art unterbrochen wird, fand ich zu dem freundlichen Willkommen der Meinigen, auch noch Ihren werthen Brief; und es ist eine große Beruhigung für mich, meinen herzlichen Wunsch in Erfüllung gehen zu sehen, daß meine Arbeiten doch auf irgend eine Art anspre- chen möchten. Ich empfinde es sehr, wie Sie ein Bestreben, was auch außer der Richtung, die Sie der Kunst wünschen, liegt, würdigen; und es würde eben so albern seyn, Ihnen meine Ursachen, warum ich so arbeite, zu sagen, als wenn ich bereden wollte, die meinige wäre die rechte.
Wenn die Praktik für Jeden mit so großen Schwierigkeiten verbunden ist, so ist sie es in unsern Zeiten im höchsten Grade. Für den aber, der in ei- nem Alter, wo der Verstand schon eine große Ober- hand erlangt hat, erst anfängt, sich in den Anfangs-
daß andere ihre Deutung und Erlaͤuterung aus mei- ner Arbeit gewinnen koͤnnen, und daß dabey der Ver- faſſer in mehreren Stellen mit lebhafter Ueberzeugung und wahrem Gefuͤhle mir ſelbſt auf meinem Gange vorgeſchritten iſt. Moͤge ſein ſchoͤnes Talent praktiſch bethaͤtigen, wovon wir uns beyde uͤberzeugt halten, und moͤchten wir bey fortgeſetzter Betrachtung und Aus- uͤbung mehrere gewogene Mitarbeiter finden.
Wollgaſt den 3. Julii 1806.
Nach einer kleinen Wanderung, die ich durch un- ſere anmuthige Inſel Ruͤgen gemacht hatte, wo der ſtille Ernſt des Meeres von den freundlichen Halbinſeln und Thaͤlern, Huͤgeln und Felſen, auf mannigfaltige Art unterbrochen wird, fand ich zu dem freundlichen Willkommen der Meinigen, auch noch Ihren werthen Brief; und es iſt eine große Beruhigung fuͤr mich, meinen herzlichen Wunſch in Erfuͤllung gehen zu ſehen, daß meine Arbeiten doch auf irgend eine Art anſpre- chen moͤchten. Ich empfinde es ſehr, wie Sie ein Beſtreben, was auch außer der Richtung, die Sie der Kunſt wuͤnſchen, liegt, wuͤrdigen; und es wuͤrde eben ſo albern ſeyn, Ihnen meine Urſachen, warum ich ſo arbeite, zu ſagen, als wenn ich bereden wollte, die meinige waͤre die rechte.
Wenn die Praktik fuͤr Jeden mit ſo großen Schwierigkeiten verbunden iſt, ſo iſt ſie es in unſern Zeiten im hoͤchſten Grade. Fuͤr den aber, der in ei- nem Alter, wo der Verſtand ſchon eine große Ober- hand erlangt hat, erſt anfaͤngt, ſich in den Anfangs-
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daß andere ihre Deutung und Erlaͤuterung aus mei-
ner Arbeit gewinnen koͤnnen, und daß dabey der Ver-
faſſer in mehreren Stellen mit lebhafter Ueberzeugung
und wahrem Gefuͤhle mir ſelbſt auf meinem Gange
vorgeſchritten iſt. Moͤge ſein ſchoͤnes Talent praktiſch
bethaͤtigen, wovon wir uns beyde uͤberzeugt halten,
und moͤchten wir bey fortgeſetzter Betrachtung und Aus-
uͤbung mehrere gewogene Mitarbeiter finden.
Wollgaſt den 3. Julii 1806.
Nach einer kleinen Wanderung, die ich durch un-
ſere anmuthige Inſel Ruͤgen gemacht hatte, wo der
ſtille Ernſt des Meeres von den freundlichen Halbinſeln
und Thaͤlern, Huͤgeln und Felſen, auf mannigfaltige
Art unterbrochen wird, fand ich zu dem freundlichen
Willkommen der Meinigen, auch noch Ihren werthen
Brief; und es iſt eine große Beruhigung fuͤr mich,
meinen herzlichen Wunſch in Erfuͤllung gehen zu ſehen,
daß meine Arbeiten doch auf irgend eine Art anſpre-
chen moͤchten. Ich empfinde es ſehr, wie Sie ein
Beſtreben, was auch außer der Richtung, die Sie
der Kunſt wuͤnſchen, liegt, wuͤrdigen; und es wuͤrde
eben ſo albern ſeyn, Ihnen meine Urſachen, warum
ich ſo arbeite, zu ſagen, als wenn ich bereden wollte,
die meinige waͤre die rechte.
Wenn die Praktik fuͤr Jeden mit ſo großen
Schwierigkeiten verbunden iſt, ſo iſt ſie es in unſern
Zeiten im hoͤchſten Grade. Fuͤr den aber, der in ei-
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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 340. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/394>, abgerufen am 22.12.2024.
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